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Themen-Dossiers

Zukunftsperspektiven kleinerer Bibliotheken am Beispiel Bayerns

 

Das Bibliothekswesen in Deutschland ist vielfältig und heterogen – das ist spätestens dann spürbar, wenn in nicht-bibliothekarischen Kreisen das Thema auf die ganze Bandbreite aus Wissenschaftlichen Bibliotheken, Öffentlichen Bibliotheken, Sektionen, Spezialbibliotheken und Verbänden kommt. Nachfragen sind selten, ungläubiges Stirnrunzeln dagegen ist öfter wahrzunehmen. Ein Artikel über »Zukunftsperspektiven kleiner Bibliotheken« scheint einfach und klar abzugrenzen zu sein. Jedoch: Wie sind »kleine« Bibliotheken zu definieren? Es ist stark anzunehmen, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfalen auf der einen Seite und Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg auf der anderen Seite die Meinungen über eine Größendefinition stark auseinandergehen. Im folgenden Text soll deshalb der Schwerpunkt auf Bibliotheken in Kommunen mit einer Bevölkerung in der Größenordnung zwischen 10 000 bis zu maximal 25 000 Menschen liegen. Der Hauptbezugspunkt dabei sind öffentlich-kommunale Bibliotheken aus Bayern.

Bayern ist ein Flächenstaat, mit über 70 000 Quadratkilometern das größte Bundesland. Nach der Bevölkerungszahl berechnet steht der Freistaat nach Nordrhein-Westfalen auf dem zweiten Platz. Die Jahresstatistik 2018 verzeichnet insgesamt 1 815 Öffentliche Bibliotheken in Bayern. Davon sind

• 724 kommunal-öffentliche Bibliotheken mit 990 000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern und 19 Millionen Besuchen

• 1 089 kirchlich-kommunale Bibliotheken mit 472 000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern und 5,5 Millionen Besuchen

410 Bibliotheken werden hauptamtlich, 360 nebenamtlich und der große Rest ehrenamtlich geleitet. Acht Großstädte mit einer Bevölkerung von über 100 000 Menschen, darunter die Münchner Stadtbibliothek, die mit der Zentralbibliothek am Gasteig und ihren 21 Zweigstellen das größte Bibliothekssystem in Deutschland bildet, ergänzen das Bild. Dazu gibt es die Bayerische Staatsbibliothek, zahlreiche Universitäts- und Hochschulbibliotheken sowie die regionalen Staatlichen Bibliotheken.

Es gibt sehr gut ausgestattete Bibliotheken (nicht nur im Speckgürtel München), aber auch viele, die nur mit viel persönlichem Engagement über die Runden kommen. In strukturschwächeren Regionen oder sogenannten Stabilisierungsgemeinden kann der kommunale Haushalt schon für die Pflichtaufgaben an seine Grenzen kommen. Oft, aber nicht immer, spielen finanzielle Gründe die maßgebliche Rolle für die Ausstattung und die damit verbundene Entwicklungsmöglichkeit der örtlichen Bibliothek. Was sind nun die Besonderheiten, die Herausforderungen, aber auch die Chancen von Bibliotheken im ländlichen Raum?

 

Herausforderungen für kleinere Bibliotheken

Die Herausforderungen bei Bibliotheken in der oben beschriebenen Größenordnung sind heterogen. In Kommunen bis zu etwa 10 000 Einwohnern sind dies:

• Meist nebenamtliches oder ehrenamtliches Personal, weniger hauptamtliche Angestellte oder Fachkräfte.

• Nicht genügend und auch nicht unbedingt kundenorientierte Öffnungsstunden. Oft ist die den Mitarbeitenden zur Verfügung stehende Stundenzahl identisch mit den oder nur geringfügig höher als die Öffnungsstunden. Dies bedeutet unter anderem, dass kaum zeitliche Ressourcen für die Entwicklung von Bibliothekskonzepten und -strategien vorhanden sind. Oft ist auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit strategischen Arbeitens oder für Lobbyarbeit nicht vorhanden, da der Alltag mit Routinearbeiten gefüllt ist. Der »Service« am Buch nimmt oft mehr Zeit in Anspruch als der »Service« an den Kunden und Kundinnen.

• Es ist kaum Zeit für Fortbildungen vorgesehen, oft steht dafür wenig bis überhaupt kein Budget zur Verfügung.

Bei den etwas größeren Bibliotheken kommt das momentan flächendeckend diskutierte Thema Personalgewinnung/-qualifizierung verstärkt hinzu. Ehemals fachlich besetzte Stellen können bei Wiederbesetzung oft nicht mehr mit bibliothekarisch ausgebildetem Personal besetzt werden. Hinzu kommt, dass veränderte Angebote und Aufgaben Personal mit anderen Schwerpunkten erfordern. Dies können unter anderem IT-Fachpersonal, Marketingexpertinnen und -experten oder medienpädagogisch ausgebildetes Personal sein. Eine Stelle jedoch ausschließlich beispielsweise medienpädagogisch zu besetzen, ist oft überdimensioniert. Ein Teil der Stelle muss mit anderen anfallenden Tätigkeiten besetzt werden, was zu Frustration und Unklarheit im Stellenprofil führen kann. Es wird sich zeigen, ob die aktuellen Bemühungen zur Anpassung der Lehr- und Studieninhalte der Ausbildungsinstitute und Hochschulen Entspannung auf dem bibliothekarischen Arbeitsfeld bringen.

 

Aus- und Weiterbildung für nebenamtlich Beschäftigte

Ehrenamtliches Personal kommt oft aus fachfremden, nicht bibliothekarischen Berufen, was kein Nachteil sein muss. Erfahrungen aus anderen Berufen können durchaus zum Vorteil mit in die Bibliotheksarbeit eingebracht werden. Probleme kommen dann auf, wenn die Aufgabe hauptsächlich deshalb gewählt wird »weil man so gern liest und Bücher liebt«. Leider sehen auch noch manche Träger dies als Hauptqualifikation für die Arbeit in kleineren Bibliotheken an.

Die beruflichen und persönlichen Hintergründe der Seiteneinsteiger/-innen in das Bibliothekswesen sind vielfältig und bunt. Um vor diesem Hintergrund bibliothekarisches Basiswissen zu vermitteln, bietet die Landesfachstelle für nebenamtliches und ehrenamtliches Personal ein modulares Fortbildungskonzept für die Vermittlung von Grundkenntnissen an. Es beginnt mit dem sogenannten Basiskurs. Diese einführende Schulung besteht aus fünf Modulen, die in drei Teilen zu absolvieren sind. Die Module beinhalten:

• Grundlagen (u.a. Stellung und Aufgaben der Öffentlichen Bibliotheken, Statistik, Haushalt, Förderrichtlinien)

• Medien vermitteln (u.a. Auskunft und Beratung, Öffnungszeiten, Benutzungsordnung)

• Medien auswählen (u.a. Medienauswahl, Zielgruppenorientierung, Bestandspflege und -aktualisierung)

• Medien präsentieren (u.a. Leitsystem, Präsentation, Einrichtung)

• Öffentlichkeitsarbeit und Leseförderung (u.a. Pressearbeit, Programmarbeit, Kooperationspartner, Zusammenarbeit mit Schulen, Klassenführungen)

Darauf aufbauend wird bayernweit ein Qualifizierungskurs bestehend aus drei Teilen angeboten. Dieses Angebot findet als dreitägige Veranstaltung im jährlichen Wechsel zum Basiskurs statt. Er richtet sich an Bibliothekskräfte, die in der Regel bereits alle Module des Basiskurses absolviert haben sollten oder über eine gleichwertige Praxiserfahrung verfügen. Die Teile des Qualifizierungskurses bauen nicht aufeinander auf und können in beliebiger Reihenfolge besucht werden. Die Inhalte vertiefen zum Teil Themen aus den Basismodulen oder nehmen neue Themen auf. Die Referenten und Referentinnen sind spezialisierte Kollegen und Kolleginnen aus dem Bibliothekswesen, externe Experten und Expertinnen oder kommen aus dem Team der Landesfachstelle. Diese Fortbildung schafft die Plattform für eine aktive Vernetzung. 2020 startet auf Wunsch der Absolventinnen und Absolventen mit dem »Quali Plus« ein neues Format. Die Inhalte der zweitägigen Veranstaltung werden von den Teilnehmenden größtenteils selbst gestaltet, außerdem finden Workshops zu verschiedenen Themen statt.

 

Bedeutung von Bibliotheken im Hinblick auf kulturelle, soziale und gesellschaftliche Angebote

In den Flächenstaaten ist es politischer Wille, für gleichwertige Lebensbedingungen in Städten und den ländlichen Regionen zu sorgen. Wer jemals in ländliche Gegenden gekommen ist, stellt schnell fest: Es gibt oft nicht einmal mehr ein kleines Lebensmittelgeschäft, keine hausärztliche Versorgung, keinen sozialen Treffpunkt, keinen Dorfmittelpunkt. Direkte Kommunikation schwindet immer öfter: Wurden Neuigkeiten früher in der Bäckerei, beim Anstehen vor dem Postschalter oder bei der Ärztin bzw. beim Arzt ausgetauscht, verschwinden diese Orte zusehends.

»Es gibt sehr gut ausgestattete Bibliotheken, aber auch viele, die nur mit viel persönlichem Engagement über die Runden kommen. In strukturschwächeren Regionen kann der kommunale Haushalt schon für die Pflichtaufgaben an seine Grenzen kommen.«

Hier kommen nun wieder Bibliotheken ins Spiel. Vielerorts wird erkannt, dass dort wieder etwas entstehen kann, was verloren gegangen scheint: Treffpunkt, geschenkte Aufmerksamkeit, Austausch von Alltäglichem und Besonderem, Ortsmittelpunkt.

 

Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten

 

Bibliotheken als Ortsmittelpunkt

Einige Kommunen schaffen bewusst Ortsmittelpunkte. Oft spüren kleinere Orte den Siedlungsdruck von Ballungsräumen und sind dadurch »gezwungen«, für ältere Menschen und Familien ein adäquates Angebot zu schaffen. Solch ein Ort kann die Basis für sozialen Zusammenhalt darstellen.

 

Bibliothek gestaltet Ortsmittelpunkt: Wörth bei Erding

Die Gemeinde Wörth (4 500 Einwohner/-innen), Teil einer Verwaltungsgemeinschaft im Landkreis Erding (Oberbayern), brachte 2015 die wichtigsten Versorgungseinrichtungen des dörflichen Lebens in einem Gebäude unter: genossenschaftlicher Dorfladen, Begegnungsstätte, hausärtzliche Praxis und als vielbesuchter Mittelpunkt die Gemeindebücherei. Freundliche, helle Einrichtung unterm Dach, Lesecafé und Barrierefreiheit ziehen die Kunden und Kundinnen an. Durch die flexible Konzipierung mit Regalen auf Rollen, Trennwand, Möglichkeit der Verdunkelung und einem durchdachten Beleuchtungskonzept entsteht aus der Bibliothek in kurzer Zeit ein großer Veranstaltungsort. Der Gebäudekomplex hat sich zu einer lebendigen Stätte der Begegnung, der Kommunikation und des öffentlichen Lebens entwickelt. Der genossenschaftliche Ortsladen bietet Grundlebensmittel und regionale Spezialitäten. Die Kunden und Kundinnen des Dorfladens, der Begegnungscafés, der hausärtzliche Praxis und der Bibliothek beleben den Ort und profitieren voneinander. Gemeinsame Veranstaltungen geben dem Dorfleben zusätzliche Impulse.

 

Bibliothek Rammingen

Die Frage, ob Bibliotheken eine Zukunft haben werden, stellte man sich in Rammingen (1 600 Einwohner/-innen, Landkreis Unterallgäu) erst gar nicht. In der Ortsmitte von Rammingen entstand in den letzten Jahren schrittweise ein neues Dorfzentrum mit Grundschule, Kindergarten, Gemeindehaus, Feuerwehrhaus und vielen anderen Einrichtungen. Darunter befand sich auch die erste Öffentliche Bücherei. Elf ehrenamtlich Beschäftigte unter einer sehr engagierten Leitung ermöglichen fünf Öffnungsstunden pro Woche. Für die Kooperation mit Grundschule und Kindergarten sind Vormittagsstunden eingerichtet. Aktuelles Sortiment, sehr ansprechende Website und eine Vernetzung mit den anderen Einrichtungen sorgen für regen Zulauf.

 

Never stand alone: Netzwerke bilden

Netzwerke bilden, über die Kommune hinausgehen ist nicht so selbstverständlich. Doch oft ist es der einzige Weg, innovative Angebote oder mehr Service zu bieten. Möchten kleinere Bibliotheken zum Beispiel E-Medien bereitstellen, kommen sie sehr schnell an ihre Grenzen: Es fehlt an Personal, Zeit, ausreichend Budget und ab und an auch an Kompetenz. Fachlich-hauptamtlich geleitete Bibliotheken organisieren sich selbst in Verbünden mit bis zu 30 teilnehmenden Bibliotheken. Für die kleineren Bibliotheken sind diese Verbünde oft nicht passend. Deshalb wurde 2015 eMedienBayern gegründet. Der Verbund besteht inzwischen aus über 120 teilnehmenden Bibliotheken (in der Regel aus Kommunen bis 10 000 Einwohnern und Einwohnerinnen) und er wird extern koordiniert. Die Bibliotheken bekommen eine »schlüsselfertige« Lösung und können unkompliziert und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten E-Medien anbieten. Auch andere Regionalverbünde, die mit einer Art interkommunalem Leihverkehr verbunden sind, haben diesen Mehrwert: Austausch, Diskussion, Impulse und Anregungen bekommen.

»Einige Kommunen schaffen bewusst Ortsmittelpunkte. Oft spüren kleinere Orte den Siedlungsdruck von Ballungsräumen und sind dadurch »gezwungen«, für ältere Menschen und Familien ein adäquates Angebot zu schaffen.«

Um den Austausch, die fachliche Diskussion, niedrigschwellig anzubieten, wurden von der Landesfachstelle in Bayern insgesamt elf Erfa-Gruppen (Erfahrungsgruppen) initiiert. Ein- bis zweimal im Jahr treffen sich Bibliotheken aus einer Region (maximal zehn) in einer der teilnehmenden Bibliotheken. Die gastgebende Einrichtung stellt die Bibliothek vor. Anschließend teilen sich die Gäste in Gruppen auf, schauen sich die verschiedenen Bibliotheksbereiche unter folgenden Gesichtspunkten an: »Was kann ich für meine Arbeit mitnehmen?« und »Welche Verbesserungsvorschläge habe ich für die Bibliothek vor Ort?« Darüber hinaus bleibt Zeit, um Themen und Anliegen zu besprechen, die momentan die Bibliotheken beschäftigen.

 

Attraktivität der Bibliothek

Mit Erhöhung der Aufenthaltsqualität punkten auch Bibliotheken im ländlichen Raum oder in kleineren Kommunen. Ansprechende Sitzmöglichkeiten, Bereiche zum Lesen, Arbeiten alleine und in Gruppen, Bereiche für Ruhe und Kommunikation und Fokussierung des Angebots machen die Kunden und Kundinnen neugierig und verändern das Image von Bibliotheken positiv.

 

Marktoberdorf: Lesecafé statt Musik-CDs

Die Stadtbücherei Marktoberdorf (19 000 Einwohner/-innen, Landkreis Ostallgäu) hat beschlossen, den Räumlichkeiten trotz räumlicher Enge (circa 450 Quadratmeter) ein frisches und modernes Gesicht zu geben. Um Platz für Veränderung zu schaffen, wurden etwa 20 Prozent des physischen Bestands aufgegeben, unter anderem auch die kompletten Musik-CDs. Ein modernes urban anmutendes Lesecafé begrüßt die Kunden und Kundinnen im neu gestalteten Eingangsbereich. Auch der Kinderbereich erfuhr eine Auffrischung. Im kommenden Jahr kommt ein Makerspace hinzu. Für Musikfreunde steht ein Streamingdienst zur Verfügung und über die Onleihe Schwaben werden E-Medien angeboten. Bemerkenswert an der Umgestaltung ist: Die Veränderung findet Schritt für Schritt statt, sodass sie auch finanziell zu stemmen ist.

 

Geretsried: Analoges und Digitales verbindet Menschen

Die Stadtbücherei Geretsried (circa 26 000 Einwohner/-innen, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) setzt auf Gaming. Auch dort fanden Umnutzungen von Räumlichkeiten statt, um für Neues Platz zu schaffen. Analoge Spielabende schaffen auf niedrigschwellige Weise die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Es wurden Gesellschafts- und Kartenspiele angeschafft, Kunden und Kundinnen bringen zu den Abenden auch aus dem Privatbestand Spiele mit. Andere Medien und

Installationen sind: Rollenspiele, Tabletop Games, Playstation 4, Xbox-One, Nintendo-Switch, HTC Vive, W-LAN mobile Endgeräte. Die Bibliothek erfährt durch diese Veränderung mehr Aufmerksamkeit beim Träger/bei der Trägerin und bei denjenigen, die die Bibliothek nicht nutzen und sorgt für Aha-Erlebnisse bei den Stammlesern und Stammleserinnen. Sie ist auch beispielhaft für die umliegenden Bibliotheken und setzt Impulse.

»Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen verankert die Bibliothek stärker in der Kommune und trägt zur gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe bei.«

[caption id="attachment_14255" align="alignright" width="225"]Esting, Bäckerei, Bibliothek, Erlebnisbücherei, Zukunftsperspektiven In Esting geht eine Bäckerei fließend in die Bibliothek über. So konnten auch die Öffnungszeiten erweitert werden. Foto: LFS / Christin Stegerhoff[/caption]

 

Erlebnisbücherei Esting

Auch kleine Bibliotheken können auf kreative Art ihre Öffnungszeiten erweitern: In Olching (circa 28 000 Einwohner/-innen) bei München haben sich Stadtbücherei und eine Bäckerei zusammengeschlossen: In der Zweigstelle Esting geht der Verkaufsraum der Bäckerei fließend in den Nutzungsbereich der Bibliothek über. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Hand ermöglicht 77 Stunden wöchentliche Öffnungszeit für die sogenannte Erlebnisbücherei Esting. Aktueller Medienbestand, Einführung von RFID, ansprechende Möblierung machen die Bibliothek attraktiv und die Bereitschaft der Bäckereimitarbeitenden, die Bibliothek »mitzudenken«, schätzen die Besucher/-innen.

 

Gedanken in die nahe Zukunft

Es gäbe noch viel zu schreiben über Bibliotheken im ländlichen Raum. Über die wichtige Rolle von Fahrbibliotheken, die (wieder) ausbaufähig ist. Darüber, ob es sinnvoll ist, dass sich ein Landkreis eine Fachkraft leistet, die die kleineren Bibliotheken koordiniert. Über Landkreisbibliotheken überhaupt, die zum Beispiel die Versorgung der weiterführenden Schulen sicherstellen können, sodass sich die kleineren Bibliotheken auf Kinder, Familien und ältere Menschen fokussieren können. Sich vernetzen und sinnvolle Angebote jenseits des reinen Medienbestands stehen im Zentrum der alltäglichen Arbeit. Kooperationen zwischen Bibliotheken, mit Bildungs- und Kultureinrichtungen und weiteren Partnern aus dem gesellschaftlichen Umfeld geben neue Impulse, können neue Kunden und Kundinnen anziehen und stärken die Akzeptanz in der Kommune und in der Öffentlichkeit.

Auch Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen, der aktuelle Trend nicht nur in kulturellen Einrichtungen, verankert die Bibliothek stärker in der Kommune und trägt zur gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe bei. Die »Kleinen« haben die Chance, sich beispielhaft als Mittel- und Treffpunkt ihrer Kommune zu etablieren, generationenübergreifend und unabhängig von Herkunft und Bildung. Fachstellen als fördernde und beratende Einrichtungen können und müssen dazu Impulse und Unterstützung geben.

 

Ute Palmer-Horn ist Diplom-Bibliothekarin und Leiterin der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in München (Abteilung der Bayerischen Staatsbibliothek). Davor war sie unter anderem Projektkoordinatorin der Bertelsmann Stiftung für das Projekt »Öffentliche Bibliothek und Schule«, Referentin bei der Bertelsmann Stiftung für den Bereich »Öffentliche Bibliothek« und Pressesprecherin von Koch Media GmbH.






Themen-Dossiers

Zukunftsperspektiven kleinerer Bibliotheken am Beispiel Bayerns

 

Das Bibliothekswesen in Deutschland ist vielfältig und heterogen – das ist spätestens dann spürbar, wenn in nicht-bibliothekarischen Kreisen das Thema auf die ganze Bandbreite aus Wissenschaftlichen Bibliotheken, Öffentlichen Bibliotheken, Sektionen, Spezialbibliotheken und Verbänden kommt. Nachfragen sind selten, ungläubiges Stirnrunzeln dagegen ist öfter wahrzunehmen. Ein Artikel über »Zukunftsperspektiven kleiner Bibliotheken« scheint einfach und klar abzugrenzen zu sein. Jedoch: Wie sind »kleine« Bibliotheken zu definieren? Es ist stark anzunehmen, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfalen auf der einen Seite und Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg auf der anderen Seite die Meinungen über eine Größendefinition stark auseinandergehen. Im folgenden Text soll deshalb der Schwerpunkt auf Bibliotheken in Kommunen mit einer Bevölkerung in der Größenordnung zwischen 10 000 bis zu maximal 25 000 Menschen liegen. Der Hauptbezugspunkt dabei sind öffentlich-kommunale Bibliotheken aus Bayern.

Bayern ist ein Flächenstaat, mit über 70 000 Quadratkilometern das größte Bundesland. Nach der Bevölkerungszahl berechnet steht der Freistaat nach Nordrhein-Westfalen auf dem zweiten Platz. Die Jahresstatistik 2018 verzeichnet insgesamt 1 815 Öffentliche Bibliotheken in Bayern. Davon sind

• 724 kommunal-öffentliche Bibliotheken mit 990 000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern und 19 Millionen Besuchen

• 1 089 kirchlich-kommunale Bibliotheken mit 472 000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern und 5,5 Millionen Besuchen

410 Bibliotheken werden hauptamtlich, 360 nebenamtlich und der große Rest ehrenamtlich geleitet. Acht Großstädte mit einer Bevölkerung von über 100 000 Menschen, darunter die Münchner Stadtbibliothek, die mit der Zentralbibliothek am Gasteig und ihren 21 Zweigstellen das größte Bibliothekssystem in Deutschland bildet, ergänzen das Bild. Dazu gibt es die Bayerische Staatsbibliothek, zahlreiche Universitäts- und Hochschulbibliotheken sowie die regionalen Staatlichen Bibliotheken.

Es gibt sehr gut ausgestattete Bibliotheken (nicht nur im Speckgürtel München), aber auch viele, die nur mit viel persönlichem Engagement über die Runden kommen. In strukturschwächeren Regionen oder sogenannten Stabilisierungsgemeinden kann der kommunale Haushalt schon für die Pflichtaufgaben an seine Grenzen kommen. Oft, aber nicht immer, spielen finanzielle Gründe die maßgebliche Rolle für die Ausstattung und die damit verbundene Entwicklungsmöglichkeit der örtlichen Bibliothek. Was sind nun die Besonderheiten, die Herausforderungen, aber auch die Chancen von Bibliotheken im ländlichen Raum?

 

Herausforderungen für kleinere Bibliotheken

Die Herausforderungen bei Bibliotheken in der oben beschriebenen Größenordnung sind heterogen. In Kommunen bis zu etwa 10 000 Einwohnern sind dies:

• Meist nebenamtliches oder ehrenamtliches Personal, weniger hauptamtliche Angestellte oder Fachkräfte.

• Nicht genügend und auch nicht unbedingt kundenorientierte Öffnungsstunden. Oft ist die den Mitarbeitenden zur Verfügung stehende Stundenzahl identisch mit den oder nur geringfügig höher als die Öffnungsstunden. Dies bedeutet unter anderem, dass kaum zeitliche Ressourcen für die Entwicklung von Bibliothekskonzepten und -strategien vorhanden sind. Oft ist auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit strategischen Arbeitens oder für Lobbyarbeit nicht vorhanden, da der Alltag mit Routinearbeiten gefüllt ist. Der »Service« am Buch nimmt oft mehr Zeit in Anspruch als der »Service« an den Kunden und Kundinnen.

• Es ist kaum Zeit für Fortbildungen vorgesehen, oft steht dafür wenig bis überhaupt kein Budget zur Verfügung.

Bei den etwas größeren Bibliotheken kommt das momentan flächendeckend diskutierte Thema Personalgewinnung/-qualifizierung verstärkt hinzu. Ehemals fachlich besetzte Stellen können bei Wiederbesetzung oft nicht mehr mit bibliothekarisch ausgebildetem Personal besetzt werden. Hinzu kommt, dass veränderte Angebote und Aufgaben Personal mit anderen Schwerpunkten erfordern. Dies können unter anderem IT-Fachpersonal, Marketingexpertinnen und -experten oder medienpädagogisch ausgebildetes Personal sein. Eine Stelle jedoch ausschließlich beispielsweise medienpädagogisch zu besetzen, ist oft überdimensioniert. Ein Teil der Stelle muss mit anderen anfallenden Tätigkeiten besetzt werden, was zu Frustration und Unklarheit im Stellenprofil führen kann. Es wird sich zeigen, ob die aktuellen Bemühungen zur Anpassung der Lehr- und Studieninhalte der Ausbildungsinstitute und Hochschulen Entspannung auf dem bibliothekarischen Arbeitsfeld bringen.

 

Aus- und Weiterbildung für nebenamtlich Beschäftigte

Ehrenamtliches Personal kommt oft aus fachfremden, nicht bibliothekarischen Berufen, was kein Nachteil sein muss. Erfahrungen aus anderen Berufen können durchaus zum Vorteil mit in die Bibliotheksarbeit eingebracht werden. Probleme kommen dann auf, wenn die Aufgabe hauptsächlich deshalb gewählt wird »weil man so gern liest und Bücher liebt«. Leider sehen auch noch manche Träger dies als Hauptqualifikation für die Arbeit in kleineren Bibliotheken an.

Die beruflichen und persönlichen Hintergründe der Seiteneinsteiger/-innen in das Bibliothekswesen sind vielfältig und bunt. Um vor diesem Hintergrund bibliothekarisches Basiswissen zu vermitteln, bietet die Landesfachstelle für nebenamtliches und ehrenamtliches Personal ein modulares Fortbildungskonzept für die Vermittlung von Grundkenntnissen an. Es beginnt mit dem sogenannten Basiskurs. Diese einführende Schulung besteht aus fünf Modulen, die in drei Teilen zu absolvieren sind. Die Module beinhalten:

• Grundlagen (u.a. Stellung und Aufgaben der Öffentlichen Bibliotheken, Statistik, Haushalt, Förderrichtlinien)

• Medien vermitteln (u.a. Auskunft und Beratung, Öffnungszeiten, Benutzungsordnung)

• Medien auswählen (u.a. Medienauswahl, Zielgruppenorientierung, Bestandspflege und -aktualisierung)

• Medien präsentieren (u.a. Leitsystem, Präsentation, Einrichtung)

• Öffentlichkeitsarbeit und Leseförderung (u.a. Pressearbeit, Programmarbeit, Kooperationspartner, Zusammenarbeit mit Schulen, Klassenführungen)

Darauf aufbauend wird bayernweit ein Qualifizierungskurs bestehend aus drei Teilen angeboten. Dieses Angebot findet als dreitägige Veranstaltung im jährlichen Wechsel zum Basiskurs statt. Er richtet sich an Bibliothekskräfte, die in der Regel bereits alle Module des Basiskurses absolviert haben sollten oder über eine gleichwertige Praxiserfahrung verfügen. Die Teile des Qualifizierungskurses bauen nicht aufeinander auf und können in beliebiger Reihenfolge besucht werden. Die Inhalte vertiefen zum Teil Themen aus den Basismodulen oder nehmen neue Themen auf. Die Referenten und Referentinnen sind spezialisierte Kollegen und Kolleginnen aus dem Bibliothekswesen, externe Experten und Expertinnen oder kommen aus dem Team der Landesfachstelle. Diese Fortbildung schafft die Plattform für eine aktive Vernetzung. 2020 startet auf Wunsch der Absolventinnen und Absolventen mit dem »Quali Plus« ein neues Format. Die Inhalte der zweitägigen Veranstaltung werden von den Teilnehmenden größtenteils selbst gestaltet, außerdem finden Workshops zu verschiedenen Themen statt.

 

Bedeutung von Bibliotheken im Hinblick auf kulturelle, soziale und gesellschaftliche Angebote

In den Flächenstaaten ist es politischer Wille, für gleichwertige Lebensbedingungen in Städten und den ländlichen Regionen zu sorgen. Wer jemals in ländliche Gegenden gekommen ist, stellt schnell fest: Es gibt oft nicht einmal mehr ein kleines Lebensmittelgeschäft, keine hausärztliche Versorgung, keinen sozialen Treffpunkt, keinen Dorfmittelpunkt. Direkte Kommunikation schwindet immer öfter: Wurden Neuigkeiten früher in der Bäckerei, beim Anstehen vor dem Postschalter oder bei der Ärztin bzw. beim Arzt ausgetauscht, verschwinden diese Orte zusehends.

»Es gibt sehr gut ausgestattete Bibliotheken, aber auch viele, die nur mit viel persönlichem Engagement über die Runden kommen. In strukturschwächeren Regionen kann der kommunale Haushalt schon für die Pflichtaufgaben an seine Grenzen kommen.«

Hier kommen nun wieder Bibliotheken ins Spiel. Vielerorts wird erkannt, dass dort wieder etwas entstehen kann, was verloren gegangen scheint: Treffpunkt, geschenkte Aufmerksamkeit, Austausch von Alltäglichem und Besonderem, Ortsmittelpunkt.

 

Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten

 

Bibliotheken als Ortsmittelpunkt

Einige Kommunen schaffen bewusst Ortsmittelpunkte. Oft spüren kleinere Orte den Siedlungsdruck von Ballungsräumen und sind dadurch »gezwungen«, für ältere Menschen und Familien ein adäquates Angebot zu schaffen. Solch ein Ort kann die Basis für sozialen Zusammenhalt darstellen.

 

Bibliothek gestaltet Ortsmittelpunkt: Wörth bei Erding

Die Gemeinde Wörth (4 500 Einwohner/-innen), Teil einer Verwaltungsgemeinschaft im Landkreis Erding (Oberbayern), brachte 2015 die wichtigsten Versorgungseinrichtungen des dörflichen Lebens in einem Gebäude unter: genossenschaftlicher Dorfladen, Begegnungsstätte, hausärtzliche Praxis und als vielbesuchter Mittelpunkt die Gemeindebücherei. Freundliche, helle Einrichtung unterm Dach, Lesecafé und Barrierefreiheit ziehen die Kunden und Kundinnen an. Durch die flexible Konzipierung mit Regalen auf Rollen, Trennwand, Möglichkeit der Verdunkelung und einem durchdachten Beleuchtungskonzept entsteht aus der Bibliothek in kurzer Zeit ein großer Veranstaltungsort. Der Gebäudekomplex hat sich zu einer lebendigen Stätte der Begegnung, der Kommunikation und des öffentlichen Lebens entwickelt. Der genossenschaftliche Ortsladen bietet Grundlebensmittel und regionale Spezialitäten. Die Kunden und Kundinnen des Dorfladens, der Begegnungscafés, der hausärtzliche Praxis und der Bibliothek beleben den Ort und profitieren voneinander. Gemeinsame Veranstaltungen geben dem Dorfleben zusätzliche Impulse.

 

Bibliothek Rammingen

Die Frage, ob Bibliotheken eine Zukunft haben werden, stellte man sich in Rammingen (1 600 Einwohner/-innen, Landkreis Unterallgäu) erst gar nicht. In der Ortsmitte von Rammingen entstand in den letzten Jahren schrittweise ein neues Dorfzentrum mit Grundschule, Kindergarten, Gemeindehaus, Feuerwehrhaus und vielen anderen Einrichtungen. Darunter befand sich auch die erste Öffentliche Bücherei. Elf ehrenamtlich Beschäftigte unter einer sehr engagierten Leitung ermöglichen fünf Öffnungsstunden pro Woche. Für die Kooperation mit Grundschule und Kindergarten sind Vormittagsstunden eingerichtet. Aktuelles Sortiment, sehr ansprechende Website und eine Vernetzung mit den anderen Einrichtungen sorgen für regen Zulauf.

 

Never stand alone: Netzwerke bilden

Netzwerke bilden, über die Kommune hinausgehen ist nicht so selbstverständlich. Doch oft ist es der einzige Weg, innovative Angebote oder mehr Service zu bieten. Möchten kleinere Bibliotheken zum Beispiel E-Medien bereitstellen, kommen sie sehr schnell an ihre Grenzen: Es fehlt an Personal, Zeit, ausreichend Budget und ab und an auch an Kompetenz. Fachlich-hauptamtlich geleitete Bibliotheken organisieren sich selbst in Verbünden mit bis zu 30 teilnehmenden Bibliotheken. Für die kleineren Bibliotheken sind diese Verbünde oft nicht passend. Deshalb wurde 2015 eMedienBayern gegründet. Der Verbund besteht inzwischen aus über 120 teilnehmenden Bibliotheken (in der Regel aus Kommunen bis 10 000 Einwohnern und Einwohnerinnen) und er wird extern koordiniert. Die Bibliotheken bekommen eine »schlüsselfertige« Lösung und können unkompliziert und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten E-Medien anbieten. Auch andere Regionalverbünde, die mit einer Art interkommunalem Leihverkehr verbunden sind, haben diesen Mehrwert: Austausch, Diskussion, Impulse und Anregungen bekommen.

»Einige Kommunen schaffen bewusst Ortsmittelpunkte. Oft spüren kleinere Orte den Siedlungsdruck von Ballungsräumen und sind dadurch »gezwungen«, für ältere Menschen und Familien ein adäquates Angebot zu schaffen.«

Um den Austausch, die fachliche Diskussion, niedrigschwellig anzubieten, wurden von der Landesfachstelle in Bayern insgesamt elf Erfa-Gruppen (Erfahrungsgruppen) initiiert. Ein- bis zweimal im Jahr treffen sich Bibliotheken aus einer Region (maximal zehn) in einer der teilnehmenden Bibliotheken. Die gastgebende Einrichtung stellt die Bibliothek vor. Anschließend teilen sich die Gäste in Gruppen auf, schauen sich die verschiedenen Bibliotheksbereiche unter folgenden Gesichtspunkten an: »Was kann ich für meine Arbeit mitnehmen?« und »Welche Verbesserungsvorschläge habe ich für die Bibliothek vor Ort?« Darüber hinaus bleibt Zeit, um Themen und Anliegen zu besprechen, die momentan die Bibliotheken beschäftigen.

 

Attraktivität der Bibliothek

Mit Erhöhung der Aufenthaltsqualität punkten auch Bibliotheken im ländlichen Raum oder in kleineren Kommunen. Ansprechende Sitzmöglichkeiten, Bereiche zum Lesen, Arbeiten alleine und in Gruppen, Bereiche für Ruhe und Kommunikation und Fokussierung des Angebots machen die Kunden und Kundinnen neugierig und verändern das Image von Bibliotheken positiv.

 

Marktoberdorf: Lesecafé statt Musik-CDs

Die Stadtbücherei Marktoberdorf (19 000 Einwohner/-innen, Landkreis Ostallgäu) hat beschlossen, den Räumlichkeiten trotz räumlicher Enge (circa 450 Quadratmeter) ein frisches und modernes Gesicht zu geben. Um Platz für Veränderung zu schaffen, wurden etwa 20 Prozent des physischen Bestands aufgegeben, unter anderem auch die kompletten Musik-CDs. Ein modernes urban anmutendes Lesecafé begrüßt die Kunden und Kundinnen im neu gestalteten Eingangsbereich. Auch der Kinderbereich erfuhr eine Auffrischung. Im kommenden Jahr kommt ein Makerspace hinzu. Für Musikfreunde steht ein Streamingdienst zur Verfügung und über die Onleihe Schwaben werden E-Medien angeboten. Bemerkenswert an der Umgestaltung ist: Die Veränderung findet Schritt für Schritt statt, sodass sie auch finanziell zu stemmen ist.

 

Geretsried: Analoges und Digitales verbindet Menschen

Die Stadtbücherei Geretsried (circa 26 000 Einwohner/-innen, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) setzt auf Gaming. Auch dort fanden Umnutzungen von Räumlichkeiten statt, um für Neues Platz zu schaffen. Analoge Spielabende schaffen auf niedrigschwellige Weise die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Es wurden Gesellschafts- und Kartenspiele angeschafft, Kunden und Kundinnen bringen zu den Abenden auch aus dem Privatbestand Spiele mit. Andere Medien und

Installationen sind: Rollenspiele, Tabletop Games, Playstation 4, Xbox-One, Nintendo-Switch, HTC Vive, W-LAN mobile Endgeräte. Die Bibliothek erfährt durch diese Veränderung mehr Aufmerksamkeit beim Träger/bei der Trägerin und bei denjenigen, die die Bibliothek nicht nutzen und sorgt für Aha-Erlebnisse bei den Stammlesern und Stammleserinnen. Sie ist auch beispielhaft für die umliegenden Bibliotheken und setzt Impulse.

»Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen verankert die Bibliothek stärker in der Kommune und trägt zur gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe bei.«

[caption id="attachment_14255" align="alignright" width="225"]Esting, Bäckerei, Bibliothek, Erlebnisbücherei, Zukunftsperspektiven In Esting geht eine Bäckerei fließend in die Bibliothek über. So konnten auch die Öffnungszeiten erweitert werden. Foto: LFS / Christin Stegerhoff[/caption]

 

Erlebnisbücherei Esting

Auch kleine Bibliotheken können auf kreative Art ihre Öffnungszeiten erweitern: In Olching (circa 28 000 Einwohner/-innen) bei München haben sich Stadtbücherei und eine Bäckerei zusammengeschlossen: In der Zweigstelle Esting geht der Verkaufsraum der Bäckerei fließend in den Nutzungsbereich der Bibliothek über. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Hand ermöglicht 77 Stunden wöchentliche Öffnungszeit für die sogenannte Erlebnisbücherei Esting. Aktueller Medienbestand, Einführung von RFID, ansprechende Möblierung machen die Bibliothek attraktiv und die Bereitschaft der Bäckereimitarbeitenden, die Bibliothek »mitzudenken«, schätzen die Besucher/-innen.

 

Gedanken in die nahe Zukunft

Es gäbe noch viel zu schreiben über Bibliotheken im ländlichen Raum. Über die wichtige Rolle von Fahrbibliotheken, die (wieder) ausbaufähig ist. Darüber, ob es sinnvoll ist, dass sich ein Landkreis eine Fachkraft leistet, die die kleineren Bibliotheken koordiniert. Über Landkreisbibliotheken überhaupt, die zum Beispiel die Versorgung der weiterführenden Schulen sicherstellen können, sodass sich die kleineren Bibliotheken auf Kinder, Familien und ältere Menschen fokussieren können. Sich vernetzen und sinnvolle Angebote jenseits des reinen Medienbestands stehen im Zentrum der alltäglichen Arbeit. Kooperationen zwischen Bibliotheken, mit Bildungs- und Kultureinrichtungen und weiteren Partnern aus dem gesellschaftlichen Umfeld geben neue Impulse, können neue Kunden und Kundinnen anziehen und stärken die Akzeptanz in der Kommune und in der Öffentlichkeit.

Auch Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen, der aktuelle Trend nicht nur in kulturellen Einrichtungen, verankert die Bibliothek stärker in der Kommune und trägt zur gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe bei. Die »Kleinen« haben die Chance, sich beispielhaft als Mittel- und Treffpunkt ihrer Kommune zu etablieren, generationenübergreifend und unabhängig von Herkunft und Bildung. Fachstellen als fördernde und beratende Einrichtungen können und müssen dazu Impulse und Unterstützung geben.

 

Ute Palmer-Horn ist Diplom-Bibliothekarin und Leiterin der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in München (Abteilung der Bayerischen Staatsbibliothek). Davor war sie unter anderem Projektkoordinatorin der Bertelsmann Stiftung für das Projekt »Öffentliche Bibliothek und Schule«, Referentin bei der Bertelsmann Stiftung für den Bereich »Öffentliche Bibliothek« und Pressesprecherin von Koch Media GmbH.



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