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Künstliche Intelligenz in der Öffentlichen Bibliothek

KI-Integration und technologische Herausforderungen: Ein Erfahrungsbericht aus der Stadtbibliothek Köln
Abbildung 1: ChatGPT für Neugierige in der Stadtteilbibliothek Kalk. Fotos: Stadtbibliothek Köln
Abbildung 1: ChatGPT für Neugierige in der Stadtteilbibliothek Kalk. Fotos: Stadtbibliothek Köln

 

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) hat die Stadtbibliothek Köln, vor allem den Schulservice, im Jahr 2023 besonders beschäftigt. Der Handlungsleitfaden »Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen« vom Schulministerium Nordrhein-Westfalen verstärkte den Wunsch, das Thema KI in der Stadtbibliothek einzubringen. Es wurde überlegt, wie bestehende Veranstaltungen angepasst und die Entwicklungen im KI-Bereich aufgegriffen werden können. Erprobte Konzepte mussten hierfür evaluiert werden. Neue Konzepte wurden getestet und anhand erster Erfahrungen angepasst.

Ende November 2023 haben 18 Länder, darunter auch Deutschland, ein Abkommen zum Schutz vor Missbrauch von Künstlicher Intelligenz unterzeichnet, das unverbindliche Empfehlungen enthält, unter anderem zur Überwachung von KI-Systemen und dem Schutz vor Datenmissbrauch. Doch damit ist das Thema KI noch lange nicht ausdiskutiert und stellt die Bevölkerung weiter vor die Aufgabe, einen Umgang mit der technologischen Weiterentwicklung zu finden. Das gilt auch für Bibliotheken. Aktuell stehen sie vor einer dreifachen Herausforderung:

  • Als Einrichtungen der Demokratieförderung und Chancengleichheit gilt es, aktuelle gesellschaftliche Themen für alle erfahrbar zu machen.
  • Als Kultureinrichtungen müssen sie den mit KI einhergehenden Wandel begleiten und aktiv gestalten.
  • Als Bildungseinrichtungen stehen Bibliotheken vor der Herausforderung, Künstliche Intelligenz in ihre Arbeit zu integrieren, neue Kompetenzen zu erlernen, diese zu erweitern und zu vermitteln.

Insbesondere der dritte Punkt ist virulent. Erwachsene wollen sich erstmalig mit der neuen Technologie vertraut machen und mehr über die Hintergründe erfahren. Lehrer/-innen werden mit Fragen konfrontiert wie: »Ist das Schreiben einer Facharbeit noch zeitgemäß? Wird jetzt nur noch geschummelt?« Und Schülerinnen und Schüler müssen ein neues Werkzeug erlernen. Es ist unvermeidbar für uns, diese Fragen proaktiv anzugehen.

Konzeptarbeit

Ein Konzept für Erwachsene und ihren Erstkontakt mit KI war schnell gefunden und wurde in die Digitale Werkstatt der Stadtbibliothek Köln, eine seit mehreren Jahren existierende Veranstaltungsreihe, integriert. Im kleinen Rahmen gibt es einen Input mit grundlegenden Infos zu ChatGPT, Anwendungsbeispielen und dem Aufzeigen von Grenzen und ethischen Aspekten. Anschließend wird selbst ausprobiert. Die Integration dieses Workshops in eine bestehende Veranstaltungsreihe erleichterte sowohl das Konzipieren als auch die Bewerbung der Veranstaltung. 



Das Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv: »Ein super Schnupperkurs. Hat Lust auf mehr gemacht. Hat Spaß gemacht«, »Super, dass die Stadtbibliothek so etwas anbietet und auch noch kostenlos! Meine Fragen hat es beantwortet, vielen Dank« und »Das war sehr hilfreich. Ohne dieses Einführungsseminar hätte ich mich zuhause wahrscheinlich nicht so schnell damit auseinandergesetzt« –das ist nur ein kleiner Teil dessen, was uns nach der Veranstaltung an Rückmeldungen erreichte.

 
»KI ist (nur) ein Werkzeug, das als solches begriffen und vermittelt werden muss – mit dem Ziel, Schüler/-innen zu ermächtigen, dieses Werkzeug zielgerichtet und selbstkritisch zu benutzen.« 

 

Neben der Digitalen Werkstatt gab es Abendveranstaltungen mit KI-Expertinnen und -Experten wie Doris Weßels, Kristian Kersting und Gert Scobel. Diese erreichten mehr Menschen, ließen jedoch kein eigenes Ausprobieren zu.

Facharbeit schreiben mit KI

Herausfordernder war es, KI in Schulveranstaltungen zu integrieren. Bereits im Dezember 2022, also kurz nach dem Release von ChatGPT, erreichten uns die ersten Anfragen von Lehrerinnen und Lehrern, ob KI schon Bestandteil unserer Veranstaltungen, generell und insbesondere im Zusammenhang mit Facharbeiten, sei. Das wollten wir gerne anbieten, standen jedoch durch die rasende Entwicklung ständig neuer KI-Tools und -Funktionen vor einer großen Herausforderung. Die zentrale Frage war: Welche KI-Inhalte können aufgegriffen und vermittelt werden, ohne dass das Konzept in zwei Monaten komplett neu aufgezogen werden muss?



Im Laufe der Zeit kristallisierte sich für uns ein Kern heraus, der trotz aller Entwicklungen bleibt und von uns vermittelt werden kann: KI ist (nur) ein Werkzeug, das als solches begriffen und vermittelt werden muss – mit dem Ziel, Schüler/-innen zu ermächtigen, dieses Werkzeug zielgerichtet und selbstkritisch zu benutzen. Im Idealfall ist KI, wenn sie mit einem guten Prompt »gefüttert« wird, eine Arbeitserleichterung in mehrfacher Hinsicht: 

  • Synonyme, Ober- und Unterbegriffe suchen, Wortlisten erstellen lassen – Arbeitserleichterung.
  • Texte zusammenfassen, Formulierungen oder Themenideen finden – auch eine Arbeitserleichterung.
  • Beispiele ausgeben, sich inspirieren lassen, die Angst vor dem weißen Blatt verlieren, Texte Korrektur lesen lassen – ebenfalls eine Arbeitserleichterung.
  • Die ganze Facharbeit schreiben lassen – keine Arbeitserleichterung

Warum? Ganz einfach: Der Schreibstil ist sperrig, leicht zu erkennen und der Inhalt muss trotzdem überprüft werden, denn bekanntermaßen konfabulieren gängige Chatbots mit fragwürdigem Bezug zur Realität.

KI in der Mittelstufe

Soviel zur Oberstufe – aber was ist mit den nachwachsenden Jahrgängen, deren Berufsleben eventuell viel stärker von Künstlicher Intelligenz geprägt sein wird als unseres? Dafür braucht es ein separates Konzept für Schüler/-innen dieser Altersstufe. Auch hier ist der Tenor: Bitte begreift KI als Werkzeug. 

Wir haben jedoch festgestellt, dass es nicht einfach ist, dies für die Schüler/-innen verständlich zu machen. Der erste wichtige Punkt ist zu verstehen, was eine KI ist. Eine entsprechende und altersgerechte Definition liefert uns ChatGPT netterweise selbst, und Streamingdienste, die Machine Learning zum Generieren von individuellen Startseiten nutzen, liefern die Beispiele aus der Lebensrealität der Schüler/-innen. 

Weiter geht es mit dem Inhalt von KI. Zu verstehen, dass die KI von Menschen erstellte Texte verwendet und damit auch Klischees, Vorurteile und Diskriminierungen reproduziert, ist ein wichtiger Bestandteil der Theorie. Mit der anschließenden Abgrenzung von KI und ChatGPT sind die theoretischen Grundlagen des Werkzeugs abgehakt. Der nächste Schritt ist das Erlernen des Umgangs – und das kommt nicht ohne Regeln aus. Wichtigste Regel: Gib keine persönlichen Daten ein, weder von dir noch von anderen! Die zweitwichtigste: Wie gut die Ergebnisse sind, die mir das KI-Tool ausgibt, hängt vom Prompt ab. Der Aufbau eines guten Prompts lässt sich in fünf einfachen Schritten auch Schülerinnen und Schülern gut erklären (siehe hierzu Abbildung 2).



Nach dieser Vorlage darf das Ausprobieren jedoch nicht fehlen. Der Abschluss der Veranstaltung ist der Frage gewidmet, wie die Schüler/-innen KI sinnvoll einsetzen können – etwa für die Schule, zum Lernen oder bei Überlegungen zur Berufswahl. In der Zusammenfassung, die für alle unter www.stbib-koeln.de/KI zu erreichen ist, finden sich nicht nur Infos zum richtigen Prompten wieder, sondern auch die Informationen über den Aufbau und das Können von KIs.

Learnings & Hilfreiches

Sowohl die Abendveranstaltungen als auch die Digitale Werkstatt zu ChatGPT haben lange Wartelisten, was deutlich macht, wie ernst das Thema gemeinhin genommen wird. Auch der Austausch mit Schülerinnen und Schülern ist immer wieder eine Bereicherung – besonders in der Oberstufe. Allerdings zeigt sich auch hier eine große Bandbreite an Vorwissen. Von »Ich habe noch nie eine KI verwendet« über »Ich wusste nicht, ob meine Hausaufgaben gut sind, und habe die KI von Snapchat gefragt« bis hin zu einem bereits guten Verständnis der Thematik ist alles vertreten. Grundsätzlich gilt: Wenn wir konkrete Praxisbezüge vermitteln, ist der Erkenntnisgewinn umso größer.

Die Mittelstufen haben andere Bedarfe. Kaum jemand hat schon mal ein KI-Tool genutzt, das Buzzword aber schon mal irgendwo gehört. Dies erscheint uns als ein günstiger Zeitpunkt, mit der Handhabe des Werkzeuges zu beginnen. Auch Schulen profitieren von solch einem Konzept: Im Idealfall ergänzt es den Unterricht in einer Form, die so in der Schule nicht hätte stattfinden können.

Sportlich wird es, wenn junge Schüler/-innen KI ausprobieren. Was dort gepromptet wird, lässt sich im Vorfeld kaum antizipieren – so gab es Fragen nach dem Weg ins Darknet oder zu Geschlechtsmerkmalen des Sitznachbarn. Dieses freie Ausprobieren macht den Schülerinnen und Schülern Spaß, Regeln werden schnell vergessen, Namen entgegen vorheriger Absprachen eingegeben. Wir empfehlen, die Schüler/-innen in dieser Phase eng zu begleiten, an Regeln zu erinnern und konkrete, enge Aufgabenstellungen zu formulieren. 



Beim Erarbeiten des Konzepts waren mehrere Dinge hilfreich. Zum einen der Medienkompetenzrahmen NRW, der Orientierung gibt, welcher Aspekt der Medienkompetenz gerade angesprochen wird. Zum anderen hat sich perplexity als wertvoll erwiesen, denn es funktioniert ohne Anmeldung und ohne Token-Begrenzung und ist so für alle Schüler/-innen niederschwellig nutzbar. Auch das Arbeiten mit bildlichen Metaphern stellt eine Arbeitserleichterung dar, insbesondere wenn hier die Lebensrealität als Bezugspunkt genommen wird, zum Beispiel mit einem Kugelschreiber als Werkzeug. Diesen setzt man zum Schreiben ein, nicht aber um ein Brot zu schmieren. Das funktioniert prinzipiell, ist jedoch komplizierter als mit einem Messer – also ein falscher Einsatz meines Werkzeugs.

Fazit

Veranstaltungen zu und mit KI lohnen sich. Wir haben gelernt, dass es möglich ist, KI auf verschiedenen Ebenen zu vermitteln, ohne dabei ständig neue Konzepte entwickeln zu müssen. Wir haben uns bewusst auf Text-KI konzentriert, um einen klaren Fokus setzen zu können und Orientierung in der KI-Welt zu finden. Der Leitgedanke von KI als Werkzeug führt ebenfalls zu einer Vereinfachung beim Konzipieren. Auf allen Ebenen haben wir gelernt, wie wichtig es ist, das Thema KI auf einzelne Bereiche zu reduzieren und sprachlich einfach und verständlich aufzuarbeiten.

Die Mischung aus grundlegendem Verständnis, Alltagsbezug und Praxis sorgt für Ausgewogenheit. Das positive Feedback bestärkt uns darin. Die bestehenden Veranstaltungen passen wir kontinuierlich dem Medienwandel an – so werden in Zukunft die Veranstaltungen zu Fake News ebenfalls einen KI-Anteil bekommen. Zusätzlich gibt es nun auch eine KI-Task-Force, die sich in kleiner Runde intensiv mit dem Thema befasst und neue Ideen entwickelt.

Frauke Anna Buhlmann (Foto: Carolin Riethmüller) ist seit 2018 Bibliothekarin bei der Stadtbibliothek Köln mit den Schwerpunktaufgaben Recherchetraining, Veranstaltungen zu Fake News, Virtueller Realität, NAO-Roboter und Vermittlung digitaler Angebote. Von 2021 bis 2023 berufsbegleitendes Studium der Spiel- und Medienpädagogik (M.A.) an der EAH Jena.

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