Abo

365 Tage offen, und es funktioniert!

Eine Zwischenbilanz nach eineinhalb Jahren »365-Tage-Bibliothek« in Uster in der Schweiz: Teil 1 – Erfahrungen, Probleme und Lösungen
Für eine Open Library in mittleren und großen Bibliotheken unabdingbar: Per Videoüberwachung kann das Team der Stadt- und Regionalbibliothek Uster in der Schweiz mehr Sicherheit in der Bibliothek gewährleisten, auch in Öffnungszeiten ohne Personal. Foto: Roman Weibel, Uster

 

Seit dem Jahr 2019 funktioniert die Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Schweiz) als Open Library: die ersten drei Jahre als kleine Open Library nur morgens, seit dem 10. Mai 2022 als »365-Tage-Bibliothek« mit täglichen Öffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr. Eine erste Bilanz zeigt: Das Konzept funktioniert, das Kunden-Feedback ist fantastisch, doch es gibt auch Probleme und zum Glück auch Lösungen.

Kurzporträt der Stadt- und Regionalbibliothek Uster

Uster ist eine Stadt mit 36.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, 15 Minuten Zugfahrt von der Stadt Zürich entfernt. Die Bibliothek Uster  hat zwölf Mitarbeitende mit 900 Stellenprozenten, belegt eine Fläche von 1.000 Quadratmetern und befindet sich am Bahnhof. Sie hat 6 000 aktive Kundinnen und Kunden, bietet 47.000 Medien an, zählt täglich 450 Besuche und 800 Ausleihen. Als Regionalbibliothek erbringt sie Dienstleistungen für 70 Gemeindebibliotheken.  

Eckpunkte der »365-Tage-Bibliothek«

  • 365 Tage offen, auch an Sonn- und Feiertagen

  • tägliche Öffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr

  • 112 Öffnungsstunden pro Woche, davon 46 Stunden bedient und 66 Stunden unbedient

  • selbstständiger Zutritt zur Open Library via Zutrittsterminal für alle mit einer gültigen Bibliothekskarte, auch für Kinder und Jugendliche

  • umfassender Self Service mit Ausleih-, Rückgabe- und Bezahlstationen, Katalogstationen, Kunden-PCs mit Drucker, Mobile Printer, Kaffeemaschine

  • viel Technik mit Videoüberwachung, Eintrittsgate, Beleuchtung mit Bewegungsmeldern, Zeitschaltuhren, Lautsprecheranlage, WLAN und RFID-Technik

  • Schülerhilfe vor Ort zum Versorgen von Medien von Montag bis Freitag 19 bis 21 Uhr

  • halbstündiger Einsatz von Freiwilligen am Sonntag um 9 Uhr und um 15 Uhr

Erfahrungen

  • Es hat sich bewährt, zuerst mit einer kleinen Open Library morgens zu starten. So konnte sich die Kundschaft an die vielen Neuerungen gewöhnen. Und das Personal konnte viele wertvolle Erfahrungen im Hinblick auf die große Open Library sammeln.

  • Die Öffnung an Sonntagen, Feiertagen und an den Abenden ist sehr beliebt. Mit der Open Library hat Uster quasi die Öffnungszeiten abgeschafft.

  • Die eineinhalb Jahre dauernden Vorbereitungen zur Open Library waren sehr aufwendig. 

  • Mit der 365-Tage-Bibliothek hat die Bibliothek einen riesigen Imagegewinn erzielt.

  • Der Name »365-Tage-Bibliothek« hat sich als Volltreffer erwiesen.



  • Die Öffnungszeiten 6 bis 22 Uhr sind gut gewählt. Der Morgen wird vor allem für das schnelle Zurückbringen und schnelle Ausleihen genutzt. Der Abend vor allem für das Lernen, Arbeiten und Lesen.

  • Die Freiwilligeneinsätze am Sonntagmorgen und -nachmittag sind sinnvoll. So können die Sonntagszeitungen ausgelegt, der Raum gelüftet, das WC gecheckt und bei Problemen reagiert werden. Gleiches gilt für die Schülereinsätze an den Werktagen abends. 

  • Die Videoüberwachung ist nötig. Einzelne unschöne Vorkommnisse konnten anhand der Aufzeichnungen begutachtet und mit den Verursacher/-innen besprochen werden. Ohne Kameras wäre man in solchen Fällen ohnmächtig.

  • Alle Besucher/-innen, die sich mit der Bibliothekskarte via Zutrittsterminal Zugang zur Open Library verschaffen, werden vom System mit Name registriert. Die Realität sieht aber oft anders aus: Jemand öffnet die Türe mittels Karte oder jemand verlässt die Bibliothek, die Türe steht also kurz offen, jemand geht hinein, ohne die Karte zu benutzen oder hat gar keine Karte. Das heißt, dass ein Teil der eintretenden Personen nicht registriert ist. 

  • Unsere Bedenken betreffend Vandalismus, Partys und Notfälle haben sich nicht bewahrheitet. 

  • Das erste Halbjahr Open Library ist schwierig: Es ist viel Aufwand nötig, um der Kundschaft die neuen Abläufe zu erklären und sie zu unterstützen. Hinzu kommen die Tücken der Technik. Am meisten Aufwand machen jedoch die Kundinnen und Kunden mit unangepasstem Verhalten, denen man die Grenzen aufzeigen und die Regeln bewusst machen muss.

Probleme und Lösungen

Die Problempunkte im ersten Jahr der »365-Tage-Bibliothek« sind: markant mehr Abfall sowie Unsauberkeiten auf Tischen und am Boden, teilweise zu viel Lärm von Kindern, mehrere Male ein verunreinigtes WC, Unordnung im Kinderbereich sowie verstellte Tische und Stühle, vier (aufgedeckte) Medien-Diebstähle während den bedienten und unbedienten Zeiten, untolerierbares Verhalten von Jugendlichen und Kindern (zum Beispiel mit Tretroller rumfahren, Bücher in falsche Regale stellen, Kissenschlacht, Verstecken spielen), Übernachtung einer betrunkenen Frau, rauchende junge Erwachsene, ein mehrmals bis 2 Uhr verweilender Mann. Keine Probleme hatten wir wegen Vandalismus. 

Im ersten Jahr hatten wir rund 50 solcher Vorkommnisse. Das ist wenig, wenn man sie in Vergleich mit der großen Anzahl an Besuchen stellt. Doch es braucht immer einiges an Zeit, die Videodaten anzuschauen, um die verantwortliche Person ausfindig zu machen, mit ihr zu reden und das Ganze zu dokumentieren. Dieser Aufwand lohnt sich. Wir haben alle Probleme lösen können. 

Wichtig ist, nach einem Vorfall schnell zu reagieren und mit den verantwortlichen Personen oder den Eltern zu reden. Dabei erinnern wir die Personen an unsere Regeln und stellen im Wiederholungsfall ein Hausverbot in Aussicht. 



In Uster erhalten sämtliche Kundinnen und Kunden Zugang zur Open Library, also auch Kinder und Jugendliche. Ein Unikum. Andere Bibliotheken haben eine Altersgrenze von 16 oder 18 Jahren. Diese Zutrittsbeschränkung ist nicht nötig, denn Kinder und Jugendliche verursachen nicht die wirklich großen Probleme. Es waren Erwachsene, die Diebstähle begingen, rauchten, übernachteten.

Fazit

Die Bilanz nach vier Jahren Open Library bzw. nach 1,5 Jahren »365-Tage-Bibliothek« in Uster ist sehr positiv. Die Bibliothek hat sich zu einem Lern-, Arbeits-, Lese- und, Spielort für Einzelpersonen, Gruppen und Familien entwickelt. Die Aufenthaltsdauer ist gestiegen, der Sonntag ist gut besucht. Stark genutzt werden die Angebote wie WLAN, Mobile Printer, Kopierer, Café und WC und natürlich die Ausleih- und Rückgabestationen. Die Videoüberwachung ist nötig. Das Feedback aus der Kundschaft ist fantastisch. Die Besucherinnen und Besucher sind dankbar für die verlängerten Öffnungszeiten an 365 Tagen. Die positiven Aspekte der Open Library überwiegen die negativen bei weitem.

Der Artikel ist ebenfalls in BuB 10/2023, Seite 472 f. erschienen.

Roman Weibel (Foto: Shahrooz Momeni, Uster) ist Diplom-Buchhändler mit Studium Kommunikationswissenschaft und Betriebswirtschaft. Seit 2016 Leiter der Stadt- und Regionalbibliothek Uster.

Interessantes Thema?

Teilen Sie diesen Artikel mit Kolleginnen und Kollegen:

Nach oben