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Das kleine Bauprojekt – partizipativ und nachhaltig

Start der neuen BuB-Serie: Es muss nicht immer der teure Neubau oder die aufwendige Generalsanierung sein. Manchmal bewirken kleine Bauvorhaben Großes.
Symbolfoto, das die Vorteile kleiner Bauprojekte in Bibliotheken durch Einbeziehung von Bibliotheksnutzerinnen und -nutzern darstellen soll.
Durch eine dauerhafte ökologische Nutzung und Ausstattung und die Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzern können auch kleine Bauprojekte große Erfolge haben. Foto: Naiyana - stock.adobe.com

 

Für Maßnahmen zur baulichen Entwicklung von Bibliotheken sind die Anlässe heute wesentlich differenzierter als in der Vergangenheit. Nach der Ablösung der bestandszentrierten Bibliotheksplanung durch eine nutzungszentrierte um die Jahrhundertwende haben sich in den vergangenen zehn Jahren auch die Nutzungsszenarien gewandelt. Sind es in den Öffentlichen Bibliotheken neben den inzwischen unvermeidlichen »Dritten Orten« zum Beispiel auch Makerspaces, so stehen in Wissenschaftlichen Bibliotheken insbesondere Lernwelten und neuerdings auch Coworking-Spaces im Vordergrund solcher Szenarien. 

Mittlerweile sind die mit diesen funktionalen Facetten verbundenen Szenarien aber auch austauschbar. Für beide Bibliothekstypen gilt zudem, dass es hier nicht lediglich um neue Begriffe für schon erprobte und standardisierte Raumkonzepte geht, sondern dass Kolleginnen und Kollegen vor Ort aber auch Planende am Beginn eines Vorhabens nicht immer klar ist, wie die neuen räumlichen Umgebungen aussehen sollen und was eigentlich alles dort stattfinden wird. Einerseits sind die hinter den Begrifflichkeiten stehenden räumlichen Konzepte nicht klar umrissen, sondern entwickeln sich auf der Grundlage baulicher Realisierungen und der damit verbundenen Erfahrungen immer weiter. Zum anderen beschreiben die Begriffe jeweils eine ganze Breite möglicher funktionaler Facetten, die aber nicht in allen Projekten realisiert werden und auch realisiert werden können. 

Mit den neuen räumlichen Konzepten ist so auch eine Komplexitätssteigerung verbunden, die im traditionellen, expertise- und kennzahlengestützten Bibliotheksbau so nicht vorhanden war. Hinzu kommen noch zwei Anforderungen, die als Metathemen alle Bauprojekte beeinflussen und sich als Fragen wie folgt formulieren lassen: 

Wie lassen sich Aspekte der Nachhaltigkeit in einem breiteren Sinne in Konzeption und Planung von Bibliotheksräumen berücksichtigen? 

Wie plant und konzipiert man typologisch nicht festgelegte, multifacettierte Umgebungen in Bibliotheken so, dass sie aus Sicht der gewünschten Nutzergruppen die notwendige Relevanz erlangen, und die gewünschte Identifikation mit der Bibliothek fördern? 

Beide Fragen berühren strategische Überlegungen, die heute auch bei der Konzeption und Planung kleinerer Bauprojekte eine entscheidende Rolle spielen. Was zunächst wie eine Überforderung solcher Projekte und der beteiligten Akteurinnen und Akteure klingen mag, kann – aus einer anderen Perspektive betrachtet – Maßnahmen argumentativ stützen und in der Konzeption vereinfachen. Der folgende einführende Überblick soll die sich aus beiden Themen ergebenden Möglichkeiten kurz beleuchten.

Unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit berücksichtigen

Nachhaltige Bibliotheksarbeit ist, wie die schon seit einigen Jahren breit geführte Diskussion um die »Grüne Bibliothek« zeigt, nicht allein darauf zu beschränken, etwa den CO2-Fußabdruck der genutzten Gebäude zu reduzieren und so die Klimabilanz der Bibliothek zu verbessern. In Bezug auf die wesentlichen Gebäudeeigenschaften sind die meisten Bibliotheken sowieso keine selbstständigen Akteurinnen. Die institutionelle Einbindung und/oder der Gebäudebetrieb schränken die Handlungsspielräume deutlich ein.

Möglichkeiten nachhaltigen Handelns auch in Bezug auf Räumlichkeiten und Betrieb eröffnen sich aber an anderer Stelle und können konzeptionell auch in kleine Baumaßnahmen integriert werden. Alle baulichen Maßnahmen haben zunächst das Potenzial, durch Eingriffe im Bestand, etwa im Bereich Beleuchtung oder Zonierung, die Klimabilanz des Gebäudes zu verbessern. Darüber hinaus ist jedes Projekt, das den zukunftsfähigen Betrieb der Bibliothek in den vorhandenen Räumen sichert, schon ein nicht unwesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Nutzung des Gebäudes. 

Zusammen mit den im laufenden Betrieb entstehenden Emissionen ist die Graue Energie der entscheidende Faktor in der baulichen Klimabilanz. Unter Grauer Energie versteht man die durch die Produktion der Baustoffe, deren Transport und Verarbeitung im Gebäude gebundene Energie. Je länger die bestehende Substanz genutzt wird, desto günstiger fällt daher die Bilanz Grauer Energie eines Gebäudes über seine Lebenszeit aus. Dem gegenüber steht gerade bei älteren Gebäuden der Ausstoß an Treibhausgasen durch veraltete Heiz- und Klimatechnik sowie Elektroinstallation und Beleuchtung und durch unzureichende Gebäudedämmung. 

Das Prinzip Nach- und Weiternutzung vor Entsorgung und Neukauf gilt bis zu einem gewissen Grad auch für die Einrichtung und Ausstattung, wobei gerade die Öffentliche Hand bis in aktuelle Richtlinien und Rahmenverträge hinein durch das im Sinne von Sparsamkeit interpretierte Gebot der Wirtschaftlichkeit in der Beschaffung nachhaltige Lösungen eher verhindert. Unter dieser Prämisse beschaffte Einrichtungen haben oft eine sehr begrenzte Lebensdauer und sind unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch nicht reparabel. 

Alternativen tun sich dann auf, wenn im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie auch Beschaffungsrichtlinien geändert oder anders ausgelegt werden können. Die Industrie bietet immer mehr Materialien mit einem hohen Anteil an recycelten Rohstoffen an. Dies gilt für Gestelle und Platten genauso wie für Bezugs- und Polsterstoffe. Andererseits sollten neu gekaufte Einrichtungen auch zu einem möglichst hohen Grad recyclingfähig sein und damit die Entwicklung hin zur Kreislaufwirtschaft fördern. Der gerade in Öffentlichen Bibliotheken zu beobachtende ästhetische Trend hin zu Vintage-Einrichtungen mit oder ohne Nutzung »echter« alter Komponenten ist demgegenüber eher als ein gestalterisches Element zu betrachten und weniger ein wirklicher Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.

Dort, wo auf Ebene der Unterhaltsträger Nachhaltigkeitsverpflichtungen und/oder -strategien existieren, wird es in der Regel auch möglich sein, eine Ausrichtung an Prinzipien der Kreislaufwirtschaft einzufordern. Oft hängt dies aber von den Anforderern beziehungsweise »Nutzern« eines Gebäudes ab, also in der Regel den Bibliotheken. Eine nachhaltigere und letztendlich auch wirtschaftlichere Nutzung des vorhandenen Gebäudes und seiner Einrichtung kann aber auch ein wesentliches Argument für eine bestimmte Maßnahme sein, insbesondere wenn sie strategisch eingebunden ist. 

Neben diesen Beiträgen zur ökologischen Nachhaltigkeit weisen Bibliotheken und deren Verbände zu Recht darauf hin, dass sie auch wesentliche Beiträge zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nachhaltigkeit leisten. Hierbei spielen auch die bereits angesprochenen neuen Raumkonzepte eine Rolle. Dies sind einerseits nichtkommerzielle Begegnungs-, Lern- und Arbeitsorte, andererseits aber auch Räume, die zum Beispiel Sharing-Economy unterstützen oder die Repair- und Maker-Bewegung vermittelt über die Bibliothek in die lokale Gemeinschaft tragen. Aspekte sozialer Nachhaltigkeit kommen aber auch dann zu tragen, wenn durch Beteiligung an der Gestaltung die Identifikation mit der Bibliothek gesteigert und die resultierenden Räume letztendlich auch bedürfnisgerecht gestaltet sind.

Raumkonzepte durch kontinuierliche Beteiligung verbessern

Wie auch der Nachhaltigkeitsdiskurs spielt das Thema Partizipation in der bibliothekarischen Debatte schon längere Zeit eine wichtige Rolle. Beide sind durch die genannten Aspekte sozialer Nachhaltigkeit miteinander verbunden. Die generelle Haltung zu partizipativen Prozessen gerade bei Bauprojekten ist allerdings bei den Akteuren – Bibliotheken, Unterhaltsträgern und Planenden – sehr unterschiedlich. Gerade im Hochschulbereich wird Beteiligung oft noch eher als Information der unterschiedlichen Statusgruppen oder Befassung in relevanten Gremien organisiert, als dass die zukünftigen Nutzer/-innen aktiv in den Prozess der Konzeption und Planung einbezogen werden. 

Dabei ziehen gerade kleinere Maßnahmen hier entscheidende Vorteile aus einer partizipativen Herangehensweise. Einerseits ist der zeitliche Rahmen so überschaubar, dass die beteiligten Gruppen und Individuen unmittelbar auch vom Ergebnis ihrer Beteiligung profitieren. Während der Zeithorizont großer Neubau- und Sanierungsprojekte mit zehn oder mehr Jahren in der Regel für Laien nicht überschaubar – oder im Falle von Studierenden auch nicht relevant – ist, liegen in kleinen Projekten zwischen Planung und Realisierung oft nur wenige Monate. Dies macht die entsprechenden Formate relevanter und auch problemorientierter. 

Andererseits bieten kleinere Bauprojekte einen offeneren organisatorischen Rahmen. Sie liegen oft unter den für die Einbeziehung weiterer Akteure wie staatlichen oder kommunalen Bauämtern relevanten budgetären Grenzwerten und sie sind auf der Seite der Planung meist auf weniger externe Expertise angewiesen. Damit wird es einfacher, partizipative Elemente innerhalb des Projekts zu verankern und die Ergebnisse in die Planung einfließen zu lassen. 

In den Beteiligungsprozessen selbst ist es ratsam, weniger einem bestimmten Dogma zu folgen, sondern sich von unterschiedlichen Herangehensweisen und Methoden inspirieren zu lassen. So ist es wesentlich wichtiger, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Zielgruppen man warum ansprechen will und welche man gegebenenfalls auch nicht erreichen wird, als auf einer abstrakten Ebene über den Grad der Beteiligung nachzudenken. Dialogische Formate, die vertiefte Interaktion fördern, können hier wesentlich bessere Ergebnisse auch für die Breite der potenziellen Nutzer/-innen erzielen als Workshops oder Townhall-Meetings, die dem Anspruch nach repräsentativ sind, dies aber oft nicht erfüllen können. 

Gerade kleinere Bibliotheken besitzen schon aufgrund beschränkter personeller Ressourcen nicht die Kompetenz, einzelne Methoden oder auch Methodensets wie etwa Design Thinking souverän anzuwenden. Es kann auch nicht erwartet werden, dass die Beteiligung von Nutzerinnen und Nutzern in Entwicklungsprozesse – etwa im Sinne »offener gesellschaftlicher Innovation« – sowieso strategisch eingebunden ist. Der Rückgriff auf die vorhandene externe Expertise ist hier, wie an anderer Stelle im Planungsprozess auch, völlig selbstverständlich und sollte als Teil des Projektbudgets mitverhandelt werden. Argumente hierfür sind neben der angesprochenen Verbindung zur sozialen Nachhaltigkeit eine empirisch gestützte Bedarfs- und Bedürfnisorientierung des Projekts, die mittel- und langfristig die Wirtschaftlichkeit steigert sowie eine höhere Relevanz der entstehenden Räume für die Nutzer/-innen.

Fazit

Die hohe Komplexität, die auch kleinere Bauprojekte durch die mit neuen Raumkonzepten verbundenen typologischen und funktionalen Unsicherheiten schon haben, wird durch die Forderung nach Nachhaltigkeit und Partizipation augenscheinlich noch weiter gesteigert. Auf den zweiten Blick ergeben sich aber sowohl auf einer argumentativen Ebene als auch in Bezug auf die räumlichen Anforderungen potenzielle Vorteile für das individuelle Projekt. So können Konzepte einer nachhaltigen Nutzung und Ausstattung der Räume den bestehenden Möglichkeitsraum in einem kleinen Bauvorhaben finanziell, argumentativ und thematisch erweitern. Beteiligungsformate reduzieren die Komplexität durch eine klarere Orientierung an den aktuellen Bedarfen der schon vorhandenen und potenziellen Nutzerinnen und Nutzern und leisten damit gleichzeitig einen Beitrag zur mittel- und langfristigen Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme.

Olaf Eigenbrodt ist stellvertretender Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg mit dem Programmbereich Benutzung, Bibliothekssystem und Bau. Er unterrichtet als Lehrbeauftragter in Berlin, München und Zürich und ist Mitglied der gemeinsamen Managementkommission von dbv und VDB. Neben Bibliotheksmanagement und -bau beschäftigt er sich insbesondere auch mit soziologischen Fragen. Er ist Mitherausgeber von »BuB – Forum Bibliothek und Information«.

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