Berlin. Verleger Matthias Ulmer (Eugen Ulmer Verlag) ist immer für eine Überraschung gut. In einem »buchreport«-Interview hat er bereits Ende Oktober eine zusätzliche Leihgebühr für Bibliotheken gefordert. Die Bibliotheken, so sein Vorschlag, sollten eine Gebühr von beispielsweise ein Euro pro E-Book-Leihe verlangen. Damit könnten dann Autoren und Verlage angemessen bezahlt werden. Das sieht der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) ganz anders: Der E-Book-Zugang für Bibliotheksnutzer müsse weiterhin kostenfrei beziehungsweise mit der Jahresgebühr abgegolten bleiben. In einer aktuellen Stellungnahme des dbv heißt es dazu:
»Damit Autoren auch für E-Ausleihen in Bibliotheken eine Vergütung erhalten, setzt sich der Deutsche Bibliotheksverband seit geraumer Zeit für eine Ausweitung der sogenannten ›Bibliothekstantieme‹ auf E-Books ein. Derzeit erhalten Urheber von der VG Wort eine jährliche Vergütung in Höhe von 15 Millionen Euro, jedoch nur für die Entleihung von physischen Werken. Der Bibliotheksverband hofft, dass der Börsenverein hier über seinen Schatten springt und diesen Vorstoß des Bibliotheksverbandes unterstützt.
dbv lehnt Leihgebühr pro E-Book ab
Um den niedrigschwelligen Zugang zu Informationen für alle Bürger zu gewährleisten, sind Ausleihen in Deutschlands kommunalen Bibliotheken entweder kostenfrei für den Leser oder mit einer geringen und sozial gestaffelten Jahresgebühr belegt, unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Ausleihen. Dies muss auch bei E-Books so bleiben. E-Books sind eine zeitgemäße Form der Informationsverbreitung und werden daher selbstverständlich als eine weitere Medienform in Öffentlichen Bibliotheken angeboten. Eine Leihgebühr pro E-Book lehnt der Bibliotheksverband ab. Das wäre tatsächlich auch nur für Verlage mit Bestseller-Potenzial attraktiv. Bibliotheken kaufen jedoch einen breiten Medienbestand und stützen damit Verlage, deren Produkte eher wenig ausgeliehen werden. Für diese Gruppe wäre ein Modell, bei dem jeder Leser pro Ausleihe zahlt, unattraktiv.
Das serielle Geschäftsmodell der E-Ausleihe über die Divibib (ein Nutzer/eine Ausleihe) beschränkt deutlich die Zahl der überhaupt möglichen jährlichen Ausleihen in Bibliotheken, bei einer Zweiwochen-Ausleihfrist auf genau 26 Ausleihen im Jahr. So können die derzeit 1 200 Verlage, die durch ihre Verträge mit der Divibib den Bibliotheken eine E-Ausleihe ermöglichen, auch weiterhin gewinnbringend direkte Lizenzen mit Endkunden abschließen. Bibliotheken sind auch in der digitalen Welt keine Wettbewerber für die Verlage. Studien zeigen, dass Bibliotheken den Buchmarkt unterstützen. Sie erwerben ihre Medien zu marktüblichen Konditionen, sie fördern das Leseinteresse und helfen, Autoren bekannt zu machen.
Eng begrenzte Kaufkraft am Buchmarkt
Den circa 8 000 Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland steht jährlich ein Medienetat von insgesamt 105 Millionen Euro zur Verfügung. Ihre Kaufkraft am Buchmarkt wird also auch zukünftig eng begrenzt bleiben, wenn sich die Erwerbungen weiter in Richtung elektronische Medien verschieben. Bibliotheken sind in ökonomischer Hinsicht – wie in der analogen Welt auch – ein Seitenkanal und sollten nicht zu einem Hauptvertriebskanal ›uminterpretiert‹ werden. Derzeit leihen die fast 8 Millionen Nutzer der Öffentlichen Bibliotheken jährlich 374 Millionen Medien aus, wovon bisher nur 7 Millionen virtuelle Bestände einschließlich der E-Books sind.
›Seit einigen Jahren signalisieren wir unsere Bereitschaft, uns strukturell über die bisherigen Erfahrungen mit verschiedenen Modellen für die E-Ausleihe in Bibliotheken mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels auszutauschen‹, so Frank Simon-Ritz, Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes. ›Leider wird uns dies immer wieder mit einem Hinweis auf Kartellrecht vom Börsenverein verweigert.‹
Zwar bietet mittlerweile fast jede dritte hauptamtlich geleitete Öffentliche Bibliothek E-Medien zur Ausleihe an. Anders jedoch als bei physischen Medien, haben sie auf der Basis des geltenden Urheberrechts keinen Rechtsanspruch darauf. Zugang zu allen am Markt verfügbaren E-Books zu den marktüblichen Konditionen ist das, was Bibliotheken fordern.« (red / 18.11.2014)