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NS-Raubgut in der Pfälzischen Landesbibliothek: Geschichte, Strukturen, Opfer

Speyer. Während der Zeit des Nationalsozialismus erwarb die Pfälzische Landesbibliothek rund 60.000 Bände durch Ankauf, Geschenke oder Tausch mit anderen Bibliotheken. Einige dieser Bücher haben eine besondere Geschichte: Sie gehörten Personen und Körperschaften, die aus weltanschaulichen oder politischen Gründen verfolgt wurden – Juden, Kommunisten, Sozialisten, Freimaurer, Katholiken, Pazifisten.

Die Opfer wurden jedoch nicht nur in ihrem Leben bedroht, sondern auch ihres Besitzes beraubt. Das System bemächtigte sich fremden Eigentums und bereicherte sich daran: Immobilien wurden an Privatpersonen veräußert, Kunstwerke ins Ausland verkauft, „bewahrenswerte“ Gegenstände an öffentliche Kultureinrichtungen abgegeben.

Untersuchung des Bestands auf NS-Raubgut

Im Mai 2012 bewilligte die Arbeitsstelle für Provenienzforschung den Projektantrag des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz (LBZ), um seine Bestände am Standort Speyer auf NS-Raubgut zu untersuchen. Das LBZ ist damit die erste Einrichtung in Rheinland-Pfalz, die sich an der nationalen Aufgabe der Recherche nach NS-Raubgut beteiligt, wie der damalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann in einer Pressemeldung hervorhob.

Vor wenigen Wochen wurde die Leiterin des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz, Frau Dr. Annette Gerlach, von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in das wissenschaftliche Kuratorium des Anfang 2015 gegründeten „Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste (DZK)“ berufen. Damit ist sichergestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz weiterhin sehr direkt an Kulturgutfragen beteiligt sein wird.

Im Herbst 2012 begann die Projektarbeit im LBZ am Standort der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer. Zunächst wurden die zwischen 1933 und 1950 erworbenen Bestände auf nationalsozialistisches Raubgut überprüft. Bei den Recherchen stellte sich heraus, dass dieses Haus tatsächlich NS-Raubgut erworben hatte, in erster Linie aus regionalen Bezugsquellen. Ein zentraler Fund waren Bücher aus dem Besitz nach Gurs deportierter Speyerer Juden.

Ergebnisse werden in Ausstellung präsentiert

Die Ergebnisse der fast dreijährigen Forschungsarbeit präsentiert die Ausstellung im LBZ / Pfälzische Landesbibliothek Speyer vom 23. Juli bis 4. September 2015. Am Tag der Ausstellungseröffnung am kommenden Dienstag, den 21. Juli wird eine Restitution durch den Staatssekretär für Kultur, Walter Schumacher, statt finden.

In der Ausstellung wurden ausgewählte Beispiele und Schicksale der Opfer präsentiert, aber auch die Geschichte des Hauses im Nationalsozialismus aufgearbeitet. Dazu wurden die politischen, ideologischen und organisatorischen Strukturen untersucht, die in der Pfalz, aber auch deutschlandweit Voraussetzungen für den millionenfachen Bücherraub des NS-Regimes gewesen waren.

Zur Ausstellung ist in der Reihe „Schriften des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz“ ein umfangreicher und illustrierter Katalog und Projektbericht erscheinen.

Zur Restitution eines der geraubten Bücher am 21. Juli 2015:

Im Bestand des LBZ / Pfälzische Landesbibliothek befindet sich ein Buch von Edith Sussmanowitz, das ihr Autogramm trägt: Viktor von Scheffel: Der Trompeter von Säkkingen. – Leipzig: Reclam Verlag, erschienen vermutlich 1916 oder 1917. Die Tochter von Edith Skékely, geborene Sussmanowitz (1909-2012), Vera Székely lebt in Schweden und wird das Buch ihrer Mutter am 21. Juli 2015 aus den Händen von Staatssekretär Walter Schumacher zurückerhalten.

Weitere Informationen unter: http://lbz.rlp.de/ueber-uns/standorte/pfaelzische-landesbibliothek/veranstaltungen/

red / 16.7.2015

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