Was hat Demokratie mit Bibliotheken zu tun? Diese Frage stand im Zentrum der diesjährigen Fachstellenkonferenz mit dem Titel »Beleben, Beachten, Beteiligen« im September 2025 in Wetzlar.
Nach Grußworten von Stadt- und Ministeriumvertretungen referierte Ragna Körby über Stadtentwicklung und welche Rolle Bibliotheken dabei spielen können – eine sehr wichtige, wie schnell klar wurde, denn Bibliotheken sind Frequenzbringer. Wo eine Bibliothek ihre Türen aufschlägt, kommen die Menschen. Deshalb wäre es sinnvoll und wünschenswert, sie bei Neu- und Umbauten nicht in den dritten Stock hinter Supermarkt und Fitnessstudio zu verbannen, sondern die Chancen zu nutzen, die eine Institution, die so niedrigschwellig so viele Besucher anlockt, konstruktiv in die Stadtentwicklung einzubinden. Stadtzentren könnten so vom »Unort« zu einem Alltags- oder Sozialort der Innenstadt werden. Wer in kleinen Wohnungen lebt, braucht Ausgleichsräume und die können Bibliotheken bieten. Auch damit dient man der Demokratie, wenn Menschen sichere geschützte Räume finden.
Petra Scheuer, Bibliothekschefin in Lauterbach, die den Publikumspreis des Hessischen Bibliothekspreises 2025 erhalten hat, erläuterte, dass sie als Team Vorstellungen davon haben, was sie im Dienste der Nutzenden erreichen wollen, dass Soft Skills dabei eine entscheidende Rolle spielen und dass sie öffentlich sichtbar sein wollen und müssen. Mit ihren originell gestalteten Flyern und ihren Erklärfilmen auf YouTube erreichen sie viele Menschen, denn »Büchereien müssen von sich reden machen.«
Tobias Metzler, Leiter der Stadtbücherei Korbach, führte den vielen Fachleuten in der Volkshochschule Wetzlar, die an diesem Tag der Konferenz freundlich Raum gewährte, vor Augen, dass Bibliotheken Orte der Demokratie sein können und müssen. Dabei sei die Demokratie ein stetiger Prozess und keinesfalls ein statischer Zustand.
Demokratie braucht Begegnung, unterstrich er mit dem Kaffeebecher in der Hand, denn über eine Tasse Kaffee kommen Menschen ins Gespräch. Wenn es möglich ist, gerne auch aus der eigenen Blase heraus, aus der Komfortzone, die so viele Menschen so ungern verlassen.
Ausgehend vom Beutelsbacher Konsens von 1977, der oft herangezogen wird, wenn politische Bildung und politische Diskussionen in Bildungseinrichtungen begrenzt werden soll, unterstrich Metzler, dass zwar ein Überwältigungsverbot der Lehrenden gilt, aber politische Bildung ihren Platz auch in Bibliotheken hat. »Die Köpfe sollen rauchen, ohne dass die Fäuste fliegen«, so seine Einschätzung. Und dabei kann man die Nutzenden ermutigen, »einfach mal zu machen«. Es kann Gutes dabei herauskommen.
Gesprächsanlässe zu schaffen und auch für Demokratisierung im Team zu sorgen, seien weitere wichtige Elemente einer gelingenden Bibliotheksarbeit. Dabei gilt: Nicht wegducken, wenn es schwierig wird, es Anfeindungen zum Beispiel gegen queere Veranstaltungen gibt. »Wehret an den Anfängen« lautet seine deutliche Botschaft.
Ein Beschluss wie jüngst aus Münster, der es verbietet, dass Medien auch äußerlich sichtbar eingeordnet werden zum Beispiel als »Fakes und nicht Fakten«, zieht allerdings der politischen Bildung in Bibliotheken den Stecker, so seine nüchterne deprimierende Einschätzung. Aber »es liegt an uns, den Zustand mündiger Bürger herbeizuführen«, forderte er.
Aus Brandenburg kam im internen Teil der Fachstellenkonferenz von der dortigen Fachstelle der Hinweis, dass man an einer Argumentationshilfe arbeite, um das Bibliothekspersonal mit Argumenten auszurüsten. Denn offenbar geschieht es immer öfter, dass der Bestandsaufbau vor allem von äußerst rechten Politikern infrage gestellt wird.
Am Nachmittag beschäftigten sich die Teilnehmenden, die jetzt in die der VHS gegenüberliegende Bibliothek gewechselt waren, im Worldcafé an 2 x 4 Tischen mit den Schwerpunktthemen der Veranstaltung. Unter der souveränen Moderation von Andreas Mittrowann wurde unter anderem über den Umgang mit »problematischen« Büchern und die Demokratie in der Bibliothek diskutiert. Die auf den Papiertischdecken festgehaltenen Erkenntnisse wurden anschließend dem Plenum präsentiert.
Wie üblich setzte die Fachstellenkonferenz ihre Arbeit intern mit zwei Bibliotheksbesuchen in Friedrichsdorf und in Limburg fort. Friedrichsdorf ist ein gelungenes Beispiel für die Frequenzbringerfähigkeit einer Bibliothek. Unter der kundigen Anleitung des Architekten Aat Vos wurde ein gemütlicher ansprechender Ort geschaffen, den die Bürger aufsuchen und damit auch gleichzeitig für die Belebung eines sonst eher öden Platzes sorgen. Der Weg dahin war nicht leicht, es mussten Widerstände überwunden werden, aber engagierte Bürger/-innen und interessierte Gewerbetreibende sorgten dafür, dass aus einer Vorstellung Realität wurde.
Die Limburger Stadtbibliothek war ursprünglich lange Jahre eine kirchliche Bücherei. Jetzt versucht sie mit vielen Ehrenamtlichen, in einem alten Schuhgeschäft in der Innenstadt, den Service für die Nutzenden hochzuhalten. Zu den Ehrenamtlichen, die für die gesamten Thekendienste und Entleihungen zuständig sind, zählt eine 86-jährige Dame und eine, die seit 50 Jahren dabei ist. Die Entscheidung für eine Gebührenfreiheit hat der Bibliothek 30 Prozent mehr Anmeldungen beschert.
Im internen Sitzungsteil ging es unter anderem um Bibliotheksentwicklungspläne, die mögliche Zusammenarbeit mit der Fachstelle in Österreich und statistische Module.
Die Fortsetzung der internen Sitzung am dritten Tag der Konferenz brachte das Ende einer Ära. Alexander Budjan kandierte nicht mehr und gab den Stab nach vielen Jahren weiter an die frisch in den Vorstand gewählte Janina Hempel, stellvertretende Leitung der Büchereizentrale aus Niedersachsen. Der Dank des hessischen Kultusministeriums wurde ihm ebenso eindrücklich übermittelt wie der der Kolleginnen und Kollegen. Mit Akribie und Leidenschaft hat sich Alexander Budjan für die Bibliotheksarbeit nicht nur in seinem Bundesland, sondern in ganz Deutschland sowie bei den angrenzenden deutschen Minderheiten im Ausland eingesetzt.
Abschied nahmen die Fachstellenvertreter/-innen auch von Ute Palmer aus München – ebenfalls langjährig und engagiert im Vorstand der Fachstellenkonferenz.
Der Vorstand besteht jetzt aus Janina Hempel, Norbert Sprung-Wolf, Sabine Brunner und Christin Stegerhoff. Alle Mitglieder des Vorstandes wurden einstimmig bei den bekannten Enthaltungen gewählt.
Die Fachstellenkonferenz 2026 wird vom 21.-23. September in Lüneburg stattfinden.
