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Die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt

Das Sanierungskonzept für die Zentralbibliothek in Köln steht. Die Arbeiten für das 81-Euro-Millionen-Projekt sollen noch in diesem Jahr beginnen.
Die Stadtbibliothek Köln wird saniert: Entstanden ist ein Konzept mit hoher Aufenthaltsqualität und unterschiedlichsten Verweilmöglichkeiten, mit vielen Sitzgelegenheiten, variabel wandelbaren Kreativräumen und einem Café im Foyer. Visualisierung: Mars Interieurarchitecten / Pell Architekten

Die Zentralbibliothek füllte einst eine Leerstelle. Köln hatte jahrzehntelang ein weit verzweigtes und leistungsfähiges System von Stadtteilbibliotheken, jedoch fehlte eine Bibliothek in der Mitte der Stadt. Als die Zentralbibliothek schließlich 1979 durch Heinrich Böll eröffnet wurde, war der Neubau Stadtgespräch. Benutzerfreundlichkeit und Transparenz standen bei der Planung des Hauses an vorderster Stelle. Die Bestände umfassten schon damals nicht nur Bücher, sondern auch Schallplatten, Kassetten und alles andere, was der Medienmarkt hergab. Von Beginn an war die Zentralbibliothek eine Mitmach-Bibliothek, wie für die heutige Makergeneration und Do-it-yourself-Bewegung gemacht: Es gab ein Aufnahmestudio und eine Schallplattenbar, den Vorläufer der heutigen Vinylbar, und darüber hinaus einen Konzertflügel, der immer noch rege gebucht wird. Die neue Bibliothek wurde begeistert angenommen und zählte schon bald über 4 000 Besucherinnen und Besucher pro Tag. Inzwischen ist der Bau in die Jahre gekommen und eine umfassende bauliche, energetische und innenräumliche Sanierung steht an. Nach der hohen Akzeptanz der Stadtteilbibliothek in Köln-Kalk entschied sich die Bibliothek für eine erneute Zusammenarbeit mit dem niederländischen Creative Guide Aat Vos und seinem Büro includi – in Kooperation mit MARS Interieurarchitecten, Rotterdam, und dem Kölner Büro Pell Architekten.

Vor Kurzem wurde nach mehrjährigem Vorlauf die innenräumliche und konzeptionelle Planung zur Generalsanierung der Zentralbibliothek vorgestellt. Die Präsentation der Arbeitsergebnisse fand große mediale Beachtung – selbst in der eher bibliotheksfernen »Bild«-Zeitung wurde darüber berichtet und die Süddeutsche Zeitung schrieb: »In Köln kann man erleben, was eine Bibliothek alles sein kann.1

Nach detaillierter Entwurfs- und Ausführungsplanung sind lebensnahe Visualisierungen zum zukünftigen Bibliothekskonzept und zur Einrichtungsplanung entstanden. Schon jetzt kann man – zumindest virtuell in animierten 3D-Rundgängen – durch die völlig neu gestalteten Räume flanieren. Entstanden ist ein Konzept mit hoher Aufenthaltsqualität und unterschiedlichsten Verweilmöglichkeiten mit doppelt so vielen Sitzgelegenheiten wie bisher, variabel wandelbaren Kreativräumen, einem Café im Foyer und einer im Rahmen von Design Thinking Workshops entwickelten Kinderbibliothek. Bei der Raumplanung wurden immer wieder Bezüge zur Kölner Stadtlandschaft, wie dem Gerhard-Richter-Fenster im Kölner Dom oder dem von Peter Zumthor entworfenen Kolumba-Museum, hergestellt. Diese gestalterischen Entscheidungen machen die Bibliothek zu einem offenen, übersichtlichen und für alle zugänglichen Ort – mit atemberaubenden neuen Ausblicken auf die Umgebung, nicht zuletzt durch eine neu geschaffene Dachterrasse.

 


Bibliotheken sind Aktionsräume

Ein farblich abgesetzter Erschließungskern wird die Treppenhäuser mit dem Rest der Räumlichkeiten verbinden und Übergange zwischen innen und außen schaffen. Das »neue« Haus wird zahlreiche offene Aufenthaltsbereiche bieten, um der Bürgerschaft viele Aktivitäten zu ermöglichen. Hier stand das Konzept von Eric Klinenberg »Palaces for the People« Pate.2 Feste PC-Arbeitsplätze sind nicht so zahlreich vorgesehen, dafür mehr mobile Geräte, die man sich auch vor Ort ausleihen kann. Ein wichtiger Schritt ist die Neupositionierung der fünf Regalkilometer Medien, die vor allem an den Wänden und in komprimierten Blöcken aufgestellt werden. So entstehen große Freiflächen – Räume im Raum. In einer »Zen-Ruhezone« kann man die Seele baumeln lassen, in der Familienbibliothek an ausladenden Tischen zusammen sein – Buggy-Parkplatz, Wickelbereich und Flaschenwärmer gibt es auch – oder in der Musikbibliothek spontane Konzerte veranstalten und Instrumente testen. Das Heinrich-Böll-Archiv mit dem Böll-Zimmer, einer Dauerleihgabe der Familie Böll, soll im Anschluss an die Veranstaltungsräume angesiedelt werden.

 


Flexibel nutzbares Konzept

Bibliotheken sind Interaktionsräume. Das gilt heute mehr denn je. Neben digitalen Orten und Angeboten braucht es weiterhin Orte der Vernetzung, der Ermächtigung, der Aktivität. Die Kölner Stadtbibliothek ist mit ihrem breit angelegten Portfolio bereits ein solcher »Dritter Ort«. Das Gebäude ist von einem für seine Bauzeit vorausschauenden und flexibel nutzbaren Konzept gekennzeichnet – offen in die Stadt hinein mit engen Bezügen zwischen dem Stadtraum und der Bibliothek, fast wie ein großes Schaufenster. Deshalb und auch wegen des zentralen Standortes entschied sich der Rat der Stadt Köln, das Gebäude zu erhalten und beauftragte Bibliothek und städtische Gebäudewirtschaft mit einer zukunftsweisenden Anpassung – insbesondere auch der Innenarchitektur. Ziel des neuen Konzeptes ist es, Ästhetik und Atmosphäre der Bibliothek in Einklang mit ihrer modernen Arbeitsweise als Gemeinschaftslabor zu bringen. Die geplante Innenarchitektur stellt die Vielfalt der Nutzerschaft und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt und die Bibliothek möchte ihre Rolle als nichtkommerzieller Ort weiter stärken. Dabei setzt sie auf größtmögliche Flexibilität der Raumsettings, damit sich das Gebäude den im Lauf der Zeit wandelenden Anforderungen anpassen kann.

Noch in diesem Jahr beginnen die ersten Arbeiten an dem 81-Millionen-Euro-Projekt – zunächst werden die Bestände der vier Magazinetagen eingelagert, die Büros ziehen aus und 2023 wird der gesamte Publikumsbereich geräumt. Während der Generalsanierung bleibt die Zentralbibliothek in einem attraktiven Interimsquartier in bester Lage inmitten der Fußgängerzone erreichbar. Als Frequenzbringerin trägt die Bibliothek am neuen Standort gerade nach der Pandemie und zunehmendem Onlinehandel zur Belebung der Innenstadt und zur Stärkung der Lebensqualität bei.

Mit animierten Rundgängen über die einzelnen Etagen und Zeichnungen basierend auf einem ausgefeilten Atmosphärenkonzept kann man unter folgenden Links einen ersten Eindruck bekommen, wie es in fünf Jahren in der neuen Bibliothek aussehen wird:

www.youtube.com/playlist?list=PLvHR7TWXvJgAPXJo-N_3oO6RdECW3dFz4

www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/stadtbibliothek/generalsanierung-der-zentralbibliothek

www.includi.com/de/project/die-koelner-zentralbibliothek/

 

 

1 Bischoff, Michael: Neue Zukunft für Kölner Zentralbibliothek. Online unter:  www.bild.de/regional/koeln/koeln-aktuell/koeln-sanierung-neue-zukunft-fuer-zentralbibliothek-78938534.bild.html, [alle Internetquellen zuletzt abgerufen am 29.03.2022]

Menden, Alexander: Bücher gibt es auch. In Nordrhein-Westfalen kann man erleben, was eine Bibliothek alles kann. Online unter: https://bit.ly/3LlWwD4

2 Palaces for the People: How Social Infrastructure Can Help Fight Inequality, Polarization, and the Decline of Civic Life (2018)

Dr. Hannelore Vogt ist Direktorin der Stadtbibliothek Köln, die 2015 den nationalen Bibliothekspreis »Bibliothek des Jahres« erhielt, genauso wie die Stadtbücherei Würzburg, die sie davor leitete. Der Kölner Kulturrat zeichnete sie 2016 als »Kulturmanagerin des Jahres« aus. Sie verfügt über ein Diplom in Bibliothekswissenschaft, einen Masterabschluss im Fach Kulturmanagement und hat im Bereich Kulturmarketing promoviert. 2019 wurde sie vom Dachverband der Bibliotheksverbände (BID) »für ihr innovatives Denken und Handeln« mit der Karl-Preusker-Medaille, der höchsten Auszeichnung im deutschen Bibliothekswesen,  ausgezeichnet. Daneben war sie u.a. Beiratsvorsitzende »Information & Bibliothek« beim Goethe Institut, Mitglied verschiedener Gremien beim Weltverband der Bibliotheken (IFLA) und »Strategic Advisor« für die Bill & Melinda Gates Foundation. Sie ist weltweit als Referentin für Bibliotheksmarketing, Kundenorientierung, Innovationsmanagement und Personalentwicklung tätig.

Weitere Visualisierungen der geplanten neuen Kölner Stadtbibliothek sind für BuB-Abonnenten und BIB-Mitglieder in der BuB-App zu sehen: https://b-u-b.de/bub-app

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