»Die Bibliothek mit Serverfarm als zentraler Ort der Stadt«

Im BuB-Interview beleuchten Architekturphilosoph Niklas Maak (rechts) und BuB-Herausgeber Dirk Wissen die künftige Rolle von Bibliotheken in einer »Smart City«. Foto: Dirk Wissen
Im BuB-Interview beleuchten Architekturphilosoph Niklas Maak (rechts) und BuB-Herausgeber Dirk Wissen die künftige Rolle von Bibliotheken in einer »Smart City«. Foto: Dirk Wissen

Wie wollen wir in Zukunft leben – und was können Bibliotheken dazu beitragen. Die neue BuB-Ausgabe  (Doppelheft August/September) beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema »Smart City«. Wobei »smart« heißt, dass alles was in einer Stadt passiert, alle Daten, die von Menschen und Dingen produziert werden, zusammengefasst und ausgewertet, dass Autos, Haushaltsgeräte, Häuser und Smartphones miteinander vernetzt werden. Im aktuellen BuB-Interview sieht der Architekturphilosoph Niklas Maak diese technologische Entwicklung nicht nur positiv: »Oft ist das sinnvoll – aber es birgt auch Gefahren.« Für ihn bleibt die entscheidende Frage in Sachen »Smart City«: Wer hat Zugriff auf all die Daten?

Im Interview gibt er selbst eine eher beunruhigende Antwort: »Im Moment sieht es so aus, dass die gesamten Daten, die da zusammenlaufen, sehr oft in der Hand global agierender privater Firmen oder aber autoritärer Staaten gelangen und missbraucht werden.«

Der Architekturexperte setzt eine andere Vision dagegen, bei der die gesammelten Daten und Informationen allen gehören: »In Serverfarmen werden alle unsere Daten gespeichert, die wir produzieren, wenn wir sozial interagieren, wenn wir Botschaften versenden, wenn wir etwas herunterladen. Das bedeutet, dass diese, wie die klassischen Bibliotheken, einen kollektiven Schatz darstellen, aus dem man sehr viel über eine Gesellschaft erfahren kann. Nun ist dieser Schatz im Moment in den Händen von Privatunternehmen und es gibt keine einzige wirklich im Stadtzentrum als öffentlicher Ort sichtbare Serverfarm auf der Welt. Deshalb entwickle ich derzeit mit meinen Studierenden in Harvard ein Projekt mit der Idee, dass im Zentrum einer Stadt als Ausdruck eines neuen bürgerschaftlichen Selbstbewusstseins, als Gegenpol zur Macht der Tech-Konzerne, eine Serverfarm stehen muss, so wie dort früher das Rathaus als Symbol eines selbstbewussten Bürgertums stand, das dem Lehnsherren oder dem Fürsten in seinem Schloss zeigte, voilà, das hier ist unsere politische Entscheidungszentrale.«

Für Maak spielen Bibliotheken bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle: »Die Bibliothek ist traditionell ein Ort der Erfahrung, der Speicherung des Wissensschatzes der Menschheit. Serverfarm und Bibliothek können zukünftig ein soziales und kulturelles Magnetfeld bilden, als Datenspeicher und als öffentlicher Ort – gewissermaßen als ein Centre Pompidou des digitalen Zeitalters mit Bildungsmöglichkeiten. Die Produktion und Verbreitung von Wissen ist an einen Punkt angelangt, wo wir erstmals der Utopie einer globalen Wissensgesellschaft nahekommen; doch dafür muss die öffentliche Hand aktiv werden und diesen öffentlichen Schatz auch baulich sichtbar machen. Früher war das Zentrum der Stadt der Marktplatz, wo nicht nur mit Waren und Objekten gehandelt wurde, sondern immer auch mit Informationen. Und heute ist ein Teil dieses Marktplatzes eben nicht mehr die Piazza mit den Cafés, sondern das Internet, und eine neue Typologie von Bibliothek könnte hier für die Produktion von Wissen und Daten ähnliche Bedeutung erlangen, wie früher der Handel mit physischen Objekten.«

Das Fazit Maaks: »Eine Bibliothek mit Serverfarm könnte in Zukunft zu einem ganz zentralen Ort einer Stadt werden.«

Das gesamte Interview mit dem Architekturphilosophen Niklas Maak , das BuB-Herausgeber Dirk Wissen führte, ist in der neuen Ausgabe von BuB zu lesen.

red. / 4.8.2020

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