Höhergruppierungsanträge im Bereich des TV-L

 

Die umfangreichen Änderungen bei der Eingruppierung im Bereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) wurden bereits im vergangenen Heft (BuB 71(2019)11, S. 624-627) dargestellt: Bibliotheksbeschäftigte werden ab 1. Januar 2020 nicht mehr nach »Speziellen Tätigkeitsmerkmalen (TM)«, bisher in Teil II.1 der Entgeltordnung (EGO), eingruppiert, sondern nach den »Allgemeinen TM« des Teils I.

Die Überleitung von Beschäftigten aus der »Großen EG 9« in die neue »EG 9b« und aus der »Kleinen EG 9« in die neue »EG 9a« erfolgte rückwirkend und automatisch bereits zum 1. Januar 2019 gemäß § 29b TVÜ-Länder, diese stellten keine »Höhergruppierungen« dar, für die es eines Antrags bedurft hätte. In diesem Artikel geht es nun um die Modalitäten eines Höhergruppierungsantrags in anderen Fällen, in denen sich »eine höhere Eingruppierung ausschließlich aufgrund der zum 1. Januar 2020 in Kraft tretenden Änderungen in der EGO zum TV-L ergibt« (§ 29d TVÜ-Länder), und darum, was hierbei zu beachten ist – wobei im Grunde alles wieder so abläuft, wie es auch schon früher bei vergleichbaren Änderungen der Entgeltordnung (EGO), zum Beispiel in 2017 bei den Kommunen, erfolgte. Allerdings gibt es Unterschiede bei den zugrundeliegenden Tarifverträgen TVöD und TV-L.

Die wichtigen Regelungen für die Länder finden sich

 

  • zum Höhergruppierungsantrag im neuen § 29d des »Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder)«,
  • zum Höhergruppierungsverfahren im (geänderten) § 17 Absatz 4 des TV-L.

Die wesentlichen Auszüge sind im beigefügten Infokasten abgedruckt. Im Folgenden wird auf diese Paragrafen nur kurz als »§ 29d« und »§ 17« verwiesen – wobei zu beachten ist, dass es sich um Paragrafen aus zwei unterschiedlichen Tarifverträgen handelt.

 

Höhergruppierungsantrag

In § 29d Absatz 1 ist zunächst geregelt, dass die bisherige Eingruppierung (bis 2019) unverändert weiter gilt – es sei denn, es wird von der/dem Beschäftigten ein Antrag nach Absatz 2 gestellt (»Absatz 2 bleibt unberührt«). Dort heißt es dann: »Ergibt sich in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 nach den Änderungen in der EGO zum TV-L eine höhere Entgeltgruppe (EG), sind die Beschäftigten auf Antrag in die EG eingruppiert, die sich nach § 12 TV-L ergibt.« Dieser Satz wirkt zunächst unverständlich, er bedeutet aber: Wenn sich aufgrund von Änderungen in der EGO (also nicht aufgrund individuell veränderter Tätigkeit) eine höhere EG ergibt, muss von der/dem Beschäftigten ein (schriftlicher, formloser) Antrag gestellt werden, der dann nach § 12 TV-L, das heißt also: anhand der geänderten (!) EGO, beschieden wird, womit die Eingruppierung neu festgestellt ist.

Der Antrag kann ab dem 1. Januar 2020 (= Änderung EGO) und laut § 29d Absatz 3 bis zum 31. Dezember 2020 gestellt werden, danach ist dies nicht mehr möglich. Der Antrag wirkt dabei immer auf den 1. Januar 2020 zurück – die Beschäftigten können sich also Zeit lassen und in Ruhe prüfen, ob sich ein Höhergruppierungsantrag lohnt (siehe unten). Zu beachten ist, dass nach Absatz 3 alle Änderungen in der Stufe der bisherigen EG, die nach dem 1. Januar 2020 eintreten, bei einer Höhergruppierung dann ebenfalls zum 1. Januar »zurück abgewickelt« werden. (Und noch: Bei am 1. Januar 2020 – zum Beispiel wegen Elternzeit – ruhendem Arbeitsverhältnis beginnt die Jahresfrist für einen Antrag mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit.)

 

Höhergruppierungsverfahren

Komplizierter wird es nun beim »Höhergruppierungsverfahren«. Wichtig zu wissen ist: Im TV-L wird keine »stufengleiche Höhergruppierung« eingeführt (wie es sie bei Kommunen, Bund und Hessen gibt), auch nicht bei einer Veränderung der Tätigkeiten. Das heißt: Beim TV-L laufen sämtliche Höhergruppierungen, egal aus welchem Grund, nach dem »alten« Verfahren des § 17 Absatz 4, mit komplizierter Berechnung und gegebenenfalls »Garantiebetrag«. Eine Unterscheidung (wie sie in 2017 bei den Kommunen nötig war), ob eine Höhergruppierung aufgrund von Änderungen in der EGO oder in der eigenen Tätigkeit erfolgt, erübrigt sich bei den Ländern.

Vorab eine in § 29d Absatz 2 zu findende »Sonderregelung«: Wer sich bei der Überleitung in die geänderte EGO in Stufe 1 befindet, kommt bei einer Höhergruppierung wieder in Stufe 1 (der höheren EG), die bisher in Stufe 1 verbrachte Zeit wird angerechnet. Für alle anderen Fälle (EG 2-14, jeweils ab Stufe 2) gelten die nun folgenden Regelungen nach § 17 Absatz 4. Danach muss eine Höhergruppierung in zwei oder drei Schritten vorgenommen werden.

 

Erster Schritt: Zuordnung zu einer Stufe in der höheren EG

Satz 1: »Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2«. Das heißt: Die/Der Beschäftigte muss in der höheren EG »von links nach rechts« nachsehen, in welcher Stufe der höheren EG mindestens der Entgeltbetrag der bisherigen, niedrigeren EG auftaucht (in wenigen Fällen der Tabelle gibt es identische Beträge) oder überschritten wird (was meistens der Fall ist). In diese Stufe kommt die/der Beschäftigte bei einer Höhergruppierung definitiv hinein (egal, was sich bei den weiteren Schritten noch ergibt) – dabei kann eine niedrigere oder auch die gleiche Stufe wie bisher herauskommen. Diese Stufe muss sie/er ab dem Tag der Höhergruppierung die entsprechende Anzahl an Jahren durchlaufen, dann wird wiederum die nächste Stufe erreicht. Generell gilt: Die/Der Beschäftigte kommt hierbei mindestens in Stufe 2.

Der erste Schritt ist kein »Berechnungsschritt«, sondern eher ein »Feststellungsschritt«.

Geht eine Höhergruppierung nicht in die nächste EG, sondern in eine noch höhere, dann heißt es in Satz 1: »Bei Eingruppierung über mehr als eine Entgeltgruppe wird die Zuordnung zu den Stufen so vorgenommen, als ob faktisch eine Eingruppierung in jede der einzelnen Entgeltgruppen stattgefunden hätte« (Satz 1). Das bedeutet, dass der oben dargestellte Vorgang mehrfach durchlaufen werden muss: von der jetzigen EG in die nächsthöhere, dann wieder neu in die übernächste EG und so weiter. Die Frage eines Garantiebetrags wird dabei nur einmal, am Ende der Rechnungskette, gestellt (Vergleich des Betrags in »Ausgangs-EG« mit dem der »Ziel-EG«).

 

Zweiter Schritt: Unterschieds- oder Garantiebetrag?

Wie viel Geld bei der Höhergruppierung herauskommt, muss nun berechnet werden, zwei Möglichkeiten gibt es hierbei gemäß Satz 2. Der eine Fall: Es gibt den tatsächlichen Unterschiedsbetrag zwischen dem bisherigen und dem im ersten Schritt festgestellten Entgeltbetrag. Liegt dieser aber in den EG 2-8 unter 100 Euro und in den EG 9a-15 unter 180 Euro, dann werden anstelle des Unterschiedsbetrags für die Dauer der Laufzeit in der höheren Stufe diese 100 oder 180 Euro als »Garantiebetrag« gezahlt (diese Beträge sind im TV-L jetzt massiv erhöht worden). Das ist dann der zweite Fall (wobei sich die Angaben »EG 2-8« und »EG 9a-15« jeweils auf die EG beziehen, in die jemand durch die Höhergruppierung hineinkommt). ABER:

 

Dritter Schritt: Höhe des Garantiebetrags

Für den Fall, dass bei der Berechnung im zweiten Schritt ein Garantiebetrag herauskam (egal, ob bei »stufengleicher Zuordnung« oder Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe), gibt es im neuen Satz 3 allerdings eine »Deckelungs-Regelung«: »Ist der Garantiebetrag höher als der Unterschiedsbetrag bei stufengleicher Zuordnung, wird als Garantiebetrag der Unterschiedsbetrag gezahlt« (und zwar der Unterschiedsbetrag aus der »stufengleichen« Zuordnung).

Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass sozusagen der Unterschiedsbetrag bei einer »stufengleichen Höhergruppierung« »das höchste der Gefühle« darstellt: Es soll niemand durch einen Garantiebetrag mehr Geld bekommen als der Unterschied zwischen zwei EG in derselben Stufe ausmacht.

Es muss also – nur in den Fällen, in denen sich ein Garantiebetrag ergäbe – in einem dritten Schritt nun noch abschließend der ermittelte Garantiebetrag mit dem Unterschiedsbetrag in derselben Stufe zwischen den beiden infrage kommenden EG verglichen werden. Wäre bei diesem Vergleich der Garantiebetrag höher als der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe in der bisherigen EG und derselben Stufe in der nächsthöheren EG, wird nicht der »normale« Garantiebetrag (100 oder 180 Euro) gezahlt, sondern stattdessen (für die Dauer der Stufenlaufzeit) »als Garantiebetrag« dieser Unterschiedsbetrag zwischen den beiden Beträgen derselben Stufe. (Ob der Garantiebetrag höher wäre, dürfte angesichts der glatten Beträge relativ schnell in der Tabelle abzuschätzen sein.)

Wenn Beschäftigte bei einer Höhergruppierung in einer niedrigeren Stufe landen, kann diese neue Regelung in wenigen Fällen auch dazu führen, dass sie zwei volle Stufenlaufzeiten mit demselben Entgelt verbringen: Zunächst in der ermittelten (niedrigeren) Stufe als Garantiebetrag, dann ab Erreichen der nächsten Stufe regulär. Aber es gibt in der Tabelle auch zahlreiche Fälle, in denen der Unterschiedsbetrag wesentlich höher ist als es jeder Garantiebetrag jemals wäre.

(Übrigens: Die Änderungen beim Garantiebetrag, also die neuen Beträge und die »Deckelungs-Vorschrift« in Satz 3, traten schon zum 1. Januar 2019 in Kraft. Sie gelten aber auch für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2018 bereits einen Anspruch auf einen Garantiebetrag hatten, vgl. »Protokollerklärung zu § 17 Absatz 4 Satz 2 und 3«.)

In der "Höhergruppierungstabelle" dieses Artikels  sind alle oben dargestellten Schritte berücksichtigt worden. Dort ist abzulesen, welcher »Höhergruppierungsgewinn« je nach EG und Stufe für die Beschäftigten herauskommt.

 

Höhergruppierungsantrag: Ja oder Nein?

Nach Kenntnis des Höhergruppierungsgewinns sollte zum Schluss aber jede/r Beschäftigte für sich selbst überlegen und ausrechnen, ob sich ein Antrag lohnt. Denn es gibt Fälle, je nach »tariflicher Lebenssituation«, in denen der Verbleib in der jetzigen EG lukrativer ist als eine Höhergruppierung (zum Beispiel bevorstehender Ruhestand oder Arbeitgeberwechsel, Verluste bei Jahressonderzahlung, Strukturausgleichszahlung oder Zulagen – allerdings: eine Kinderzulage bleibt erhalten). Hier hängt es immer von der individuellen Situation ab: In welcher Stufe bin ich jetzt? Wann erreiche ich die nächste? Wie würde dasselbe bei einer Höhergruppierung aussehen? Hier lohnt es, sich beraten zu lassen, und es gilt, einen persönlichen rechnerischen Vergleich zwischen den beiden Alternativen vorzunehmen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Entscheidung über einen Antrag den Beschäftigten selbst überlassen haben.

 

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