ChatGPT ist wohl eines der heiß diskutiertesten Themen aktuell. Ein Thema, das auch weit über die Grenzen der Technikszene hinaus Beachtung findet und tief in das Herz der akademischen Arbeit vordringt. Die Fähigkeiten des Tools, kontextbezogene Konversationen zu führen und komplexe Informationen zu verarbeiten, eröffnen immense Möglichkeiten für den Einsatz in Bibliotheken und anderen Wissenszentren. In diesem Artikel sollen die Erkenntnisse und Erfahrungen, die in zahlreichen Fortbildungen zur Implementierung von ChatGPT in Bibliotheken gesammelt wurden, dargestellt werden. Es geht dabei nicht nur darum, praktische Anwendungstipps zu geben und Inspirationen zu liefern, sondern auch um einen konstruktiv kritischen Blick auf diese aufstrebende Technologie.
Das Wesen von ChatGPT verstehen
Zuallererst ist es wichtig zu verstehen, was ChatGPT ist und was es nicht ist. ChatGPT ist eine Künstliche Intelligenz, die vom Unternehmen OpenAI entwickelt wurde und auf dem Modell der generativen vorprädiktiven Transformation (GPT) basiert. Im Kern ist es ein Sprachmodell, das darauf trainiert wurde, menschenähnliche Texte zu generieren. Es analysiert eine gegebene Eingabe, versteht den Kontext und generiert eine angemessene Antwort. Dafür wurde es mit einer enormen Menge an Daten aus dem Internet trainiert, um ein breites Spektrum von Konversationsthemen und Kontexten abdecken zu können.
Doch bei aller Fortschrittlichkeit ist ChatGPT kein autonomes oder tatsächlich kreatives Tool. Es kann keine eigenen Meinungen bilden, keine Emotionen empfinden und hat kein Bewusstsein für sich selbst. Es kann nicht auf Informationen zugreifen, die nicht in seinen Trainingsdaten (bis September 2021) enthalten waren. Und es hat kein Verständnis für die Bedeutung oder Implikationen der von ihm generierten Texte. In diesem Sinne kann es als eine sehr fortgeschrittene Textverarbeitungsmaschine betrachtet werden, die auf einer beeindruckenden Menge an Daten und ausgefeilten Algorithmen basiert.
ChatGPT: Ein Werkzeug, kein Allwissender
Häufig wird ChatGPT eine gewisse Allwissenheit oder ein tieferes Verständnis der Welt zugeschrieben, doch das sind selbstverständlich Illusionen. Es ist ein Werkzeug, das uns hilft, Informationen zu generieren und zu verarbeiten, aber letztendlich sind seine Fähigkeiten auf das beschränkt, was es während seines Trainings »gelernt« hat.
Man könnte das Tool als eine Art »Thermomix der Kreativität« bezeichnen. Die Metapher meint dabei die transformative Fähigkeit der Künstlichen Intelligenz: Genau wie ein Küchengerät Zutaten in ein fertiges Gericht verwandelt, kombiniert und remixt ChatGPT die in seiner Datenbank enthaltenen Informationen, um menschenähnliche Texte zu generieren. Es ist eine Art interaktive Co-Kreation, die die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verwischt und die kreative Kapazität jedes Einzelnen erweitert.
Es ist allerdings ein häufiger Fehler, Technologien für Aufgaben einzusetzen, für die sie nicht konzipiert wurden. Genau hier liegt aber das Problem: ChatGPT wird oft – erneut metaphorisch gesprochen – wie ein Schraubenzieher zum Umgraben des Gartens verwendet. ChatGPT ist ein hochspezialisiertes Tool, das für bestimmte Aufgaben optimiert wurde. Wenn wir versuchen, es für völlig andere Zwecke einzusetzen, wird die Leistung stark beeinträchtigt und das Potenzial der Technologie bleibt ungenutzt.
KI als eine Einladung zu mehr Menschsein?
ChatGPT kann dazu dienen, menschliche Ängste vor Unbekanntem zu lindern, indem es eine vertraute, menschenähnliche Schnittstelle bereitstellt. Die Fähigkeit von ChatGPT, menschenähnliche Texte zu generieren und auf individuelle Anfragen zu reagieren, kann helfen, Informationsbarrieren zu überwinden und den Kreationsprozess zu erleichtern. Das bedeutet allerdings nicht, dass es diese Ängste vollständig eliminieren kann oder sollte. Ein gewisses Maß an Skepsis und Vorsicht gegenüber neuen Technologien ist gesund und notwendig.
»Die Fähigkeit von ChatGPT, menschenähnliche Texte zu generieren und auf individuelle Anfragen zu reagieren, kann helfen, Informationsbarrieren zu überwinden und den Kreationsprozess zu erleichtern.«
Obwohl KI-Systeme wie ChatGPT unpersönlich und mechanisch sind, bieten sie uns eine Möglichkeit, über das Wesen des Menschseins nachzudenken. Indem sie menschenähnliche Fähigkeiten demonstrieren, werfen sie Fragen auf über die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, über das, was uns als Menschen ausmacht und über die Rolle, die wir in einer zunehmend technologisierten Welt spielen wollen.
Es ist dabei aber sehr wichtig zu betonen, dass wir Menschen nicht die Sklaven unserer eigenen technologischen Entwicklungen sind. Auch wenn KI-Systeme immer leistungsfähiger und allgegenwärtiger werden, haben wir immer noch die Kontrolle über die Werkzeuge, die wir schaffen. Es liegt an uns, wie wir sie nutzen, welche Werte wir in sie einbetten und welche Auswirkungen wir zulassen wollen.
Schließlich ist das Bedürfnis, verstanden und gesehen zu werden, ein zentraler Aspekt der menschlichen Erfahrung, der von ChatGPT ebenfalls simuliert wird. Dennoch ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass die scheinbare Aufmerksamkeit und das Verständnis, welches ChatGPT bietet, nicht echt sind. Sie sind das Produkt von Algorithmen und Daten, nicht von echtem menschlichem Bewusstsein oder Empathie.
Werden Sie »Prompteur«! Eine Anleitung zur effektiven Nutzung
Die wirksamste Nutzung von ChatGPT basiert auf einem klaren Verständnis seiner Arbeitsweise und dementsprechend präzisen Eingabeaufforderungen, auch Prompts genannt. Ein häufiger Grundsatz lautet: »Der Output ist nur so sinnvoll und kreativ wie mein Prompt«, also mein Befehl, den ich eingebe. Das bedeutet, dass die Qualität und Nützlichkeit der Ausgabe von ChatGPT stark von der Klarheit und Präzision der anfänglichen Aufforderung abhängt. Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Schritten, die Ihnen helfen können, einen effektiven Prompt zu formulieren:
- Versetzen Sie ChatGPT in eine spezifische Rolle. Durch die Zuweisung einer spezifischen Rolle kann ChatGPT besser auf den Kontext der Anfrage eingehen. Zum Beispiel könnte die Rolle ein »Sachbuchautor« oder ein »Datenanalyst« sein.
- Geben Sie konkrete Hinweise zu den Zielen oder der Zielgruppe. Zum Beispiel könnte die Zielgruppe »Bibliothekare« oder »Forschende in der Digitalisierung« sein. Durch die Angabe dieser Informationen kann ChatGPT den Stil und den Inhalt seiner Ausgabe besser anpassen.
- Geben Sie ChatGPT genaue Anweisungen, was es wie tun soll. Seien Sie so spezifisch wie möglich in Bezug auf die gewünschten Informationen oder Aktionen.
- Formulieren Sie klar, wie Sie den Output präsentiert haben wollen. Zum Beispiel könnte dies eine Liste, ein Fließtext oder eine Reihe von Stichpunkten sein. Je klarer Ihre Anweisungen, desto besser kann ChatGPT Ihren Anforderungen entsprechen.
- Haken Sie kontextbasiert nach, wenn das Ergebnis noch nicht perfekt ist. ChatGPT kann iterative Anfragen verarbeiten, was bedeutet, dass Sie nachfolgende Fragen oder Anfragen stellen können, die auf der vorherigen Ausgabe basieren, um das gewünschte Ergebnis zu verfeinern.
Durch die Befolgung dieser Schritte können Sie sicherstellen, dass Sie die Fähigkeiten von ChatGPT optimal nutzen und die besten möglichen Ergebnisse erzielen.
ChatGPT in Bibliotheken: Möglichkeiten und Herausforderungen
Die Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Bibliotheken sind vielfältig und können unterschiedliche Akteure in ihren Aufgaben unterstützen. Wir betrachten nun einige konkrete Beispiele:
Studierende könnten ChatGPT als Lernhilfe einsetzen, um komplexe Themen besser zu verstehen oder eine Zusammenfassung von Lerninhalten zu erhalten. Beispielsweise könnten sie das System bitten, ihnen ein komplexes Konzept in einfacher Sprache zu erklären oder ihnen bei der Vorbereitung von Prüfungen zu helfen, indem es prägnante Übersichten zu bestimmten Themen generiert.
Für Lehrende kann ChatGPT ein nützliches Werkzeug zur Erstellung von Unterrichtsmaterialien sein. Sie könnten beispielsweise ChatGPT bitten, Lernziele zu formulieren, Quizfragen zu erstellen oder Unterrichtspläne zu skizzieren. Außerdem könnte es als virtueller Tutor in Online-Lernumgebungen eingesetzt werden, der häufig gestellte Fragen von Studierenden beantwortet.
Forschende könnten von ChatGPT profitieren, indem sie es zur Literaturrecherche nutzen. Sie könnten beispielsweise ChatGPT bitten, die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Reihe von Forschungsartikeln zusammenzufassen oder Trends und Lücken in der Literatur zu identifizieren. Zudem könnte es als Unterstützung bei der Formulierung von Forschungsfragen oder Hypothesen dienen.
Für Bibliothekare könnte ChatGPT ein vielseitiges Instrument für zahlreiche Aufgaben sein. Sie könnten es beispielsweise nutzen, um Fragen von Besuchern zu beantworten, Bibliothekskataloge zu durchsuchen oder personalisierte Leseempfehlungen zu geben. Darüber hinaus könnte es als Werkzeug zur Digitalisierung und Katalogisierung von Materialien oder zur Unterstützung bei der Verwaltung und Organisation von Ressourcen dienen.
Insgesamt bietet ChatGPT eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Effizienz und Effektivität von Prozessen in Bibliotheken zu verbessern und ein personalisiertes und benutzerfreundliches Erlebnis für alle Akteure zu ermöglichen. Trotz seiner bemerkenswerten Fähigkeiten ist es wichtig, die Grenzen und potenziellen Probleme beim Einsatz von ChatGPT in Bibliotheken und Universitäten zu berücksichtigen.
»Bibliotheken und Universitäten müssen robuste Datenschutzmaßnahmen implementieren und sicherstellen, dass die Verwendung von ChatGPT im Einklang mit geltenden Gesetzen und Vorschriften steht.«
Zunächst ist es entscheidend zu bedenken, dass ChatGPT, trotz seiner ausgefeilten Sprachverarbeitungsfähigkeiten, nicht in der Lage ist, tiefgründiges Verständnis oder bewusste Einsichten zu erzeugen. Es basiert auf Mustern in den Daten, die es während des Trainings gesehen hat, und kann keine neuen Informationen generieren, die über diese Daten hinausgehen. So ist es zum Beispiel nicht in der Lage, originelle wissenschaftliche Forschung zu betreiben oder innovative Ideen zu entwickeln. Zweitens hat ChatGPT Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von sehr spezifischen oder nuancierten Anfragen. Es kann aufgrund seiner Designstruktur nicht auf spezifisches Wissen oder externe Datenbanken zugreifen, die nicht in seinem ursprünglichen Trainingsdatensatz enthalten sind. Dies macht es weniger geeignet für Anfragen, die spezifische, aktuelle oder spezialisierte Informationen erfordern.
Darüber hinaus hat ChatGPT, trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten, seine Grenzen in Bezug auf die Qualität der generierten Inhalte. Es kann inkonsistent sein und manchmal Informationen erzeugen, die falsch oder irreführend sind. Es liegt in der Verantwortung des Benutzers, die generierten Informationen kritisch zu überprüfen und zu validieren.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Frage der Datenschutz- und Sicherheitsbedenken. Es ist wichtig, dass die Nutzung von ChatGPT in einer Weise erfolgt, die die Privatsphäre der Benutzer respektiert und schützt. Bibliotheken und Universitäten müssen robuste Datenschutzmaßnahmen implementieren und sicherstellen, dass die Verwendung von ChatGPT im Einklang mit geltenden Gesetzen und Vorschriften steht.
»Die rasante Entwicklung von KI-Technologien hat bedeutende Auswirkungen auf Bibliothekare und Akademiker. Sie bietet neue Möglichkeiten, stellt aber auch neue Anforderungen an Kompetenzen und Wissen.«
Um diese Probleme zu lösen, sind weitere Forschung und Entwicklung erforderlich, um die Genauigkeit und Verlässlichkeit von ChatGPT zu verbessern und sicherzustellen, dass es in einer ethisch verantwortungsvollen und rechtlich konformen Weise eingesetzt wird. Dabei sind eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Bibliothekaren, Akademikern und Nutzern sowie kontinuierliche Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung.
Ein nützliches Werkzeug für den Bibliotheksalltag – mit einiger Luft nach oben
In Anbetracht aller Erkenntnisse zeigt sich, dass ChatGPT und ähnliche KI-basierte Systeme bedeutende Potenziale für Bibliotheken und die akademische Gemeinschaft bieten, gleichzeitig aber auch Herausforderungen und Grenzen aufweisen.
ChatGPT zeigt sich bereits jetzt als nützliches Werkzeug für verschiedene Aufgaben in Bibliotheken. Es kann Studierende beim Lernen unterstützen, Lehrenden bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien helfen, Forschende bei Literaturarbeiten unterstützen und Bibliothekaren bei der Beantwortung von Nutzeranfragen oder der Organisation von Ressourcen zur Seite stehen. Die KI-Technologie hat das Potenzial, die Effizienz und Produktivität in diesen Bereichen erheblich zu steigern und ein personalisiertes und benutzerzentriertes Erlebnis zu bieten.
»Es wird immer wichtiger, dass Fachleute in diesem Bereich ein fundiertes Verständnis von KI und ihren Auswirkungen besitzen.«
Gleichzeitig gibt es jedoch Bereiche, in denen ChatGPT noch nicht oder nur eingeschränkt geeignet ist. Dazu gehört die Generierung von originellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Bearbeitung von sehr spezifischen oder nuancierten Anfragen und die Sicherstellung der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der generierten Informationen. Des Weiteren müssen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken berücksichtigt und behoben werden.
Die rasante Entwicklung von KI-Technologien hat bedeutende Auswirkungen auf Bibliothekare und Akademiker. Sie bietet neue Möglichkeiten, stellt aber auch neue Anforderungen an Kompetenzen und Wissen. Es wird immer wichtiger, dass Fachleute in diesem Bereich ein fundiertes Verständnis von KI und ihren Auswirkungen besitzen und in der Lage sind, diese Technologien kritisch und effektiv zu nutzen.
Dieser Artikel soll dazu beitragen, ein besseres Verständnis von ChatGPT und seiner Rolle in Bibliotheken zu fördern und Inspiration für seine effektive Nutzung zu bieten. Als abschließenden Beitrag finden Sie hier eine kuratierte Linkliste, die im Rahmen unserer Veranstaltungen und Workshops zu diesem Thema entstanden ist.
Dr. Jan Ullmann beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit der Förderung von sinnvoller (digitaler) Bildung in verschiedenen Positionen, unter anderem an der Ludwig-Maximilians-Universität München und am Learning Campus der Siemens AG. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Trainer und Berater für sein Unternehmen Lernhandwerk tätig und setzt sich für die Digitalisierung und Humanisierung des Lernens ein. In seiner Arbeit liegt der Fokus auf der Gestaltung moderner Lernmethoden, die auf Kompetenzen des 21. Jahrhunderts abzielen und sinnvoll mit intelligenten Technologien verknüpft sind. Als Geschäftsführer von Lernhandwerk verfolgt er das Ziel, digitale Bildung so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen von Menschen und Unternehmen gleichermaßen gerecht wird.