In den frühen 1950er-Jahren wurde im westdeutschen Bibliothekswesen intensiv debattiert und gestritten. Es ging um die sogenannte »untere Grenze«, die Schwelle des vermeintlich guten Geschmacks dessen, was eine Bibliothek für den eigenen Bestand erwerben sollte. Auch in der noch jungen Zeitschrift BuB, damals noch als »Bücherei und Bildung« bekannt, wurde dieser Streit ausgetragen. Der Literaturwissenschaftler Allyn Heath von der Universität Siegen hat die Debatte nachgezeichnet.
Angesichts der verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der Verarmung vieler ihrer Nutzer/-innen standen die Öffentlichen Bibliotheken in Westdeutschland nach 1945 vor der gewaltigen Aufgabe, ihre Regale rasch wieder mit Lesestoff zu bestücken. Nach der Währungsreform 1948 machte zudem wirtschaftliche Not den Kauf vieler Güter zum Luxus. Dennoch waren Bücher als Unterhaltungs-, Informations- und Bildungsmedien für das Leben der Westdeutschen unverzichtbar. Umso wichtiger die öffentlichen Büchereien: Das durchschnittliche städtische Bibliothekssystem konnte seinen Buchbestand zwischen 1949 und 1953 von 17,9 Exemplaren pro 100 Einwohner/-innen auf 21,7 Exemplare pro 100 Einwohner/-innen steigern.1 Zwischen 1948 und 1952 stieg auch die Zahl der ausgeliehenen Bücher pro 100 Einwohner/-innen von 11,6 auf 18,2, eine absolute Zunahme von 300.000 Entleihungen.2 Obwohl die Öffentlichen Bibliotheken so stark nachgefragt waren, blieb ihre Finanzierung keineswegs selbstverständlich. Spätestens ab Mitte der 1960er-Jahre wurde die Konkurrenz mit anderen öffentlichen Einrichtungen um kostbare kommunale Gelder spürbar. Der Bestand aller gewerblichen Leihbüchereien in Westdeutschland war 1956 immer noch viermal größer als der der Öffentlichen Bibliotheken.3 Im Interesse der Leser/-innen war die Öffentliche Bibliothek zudem an normative Vorgaben staatlicher Stellen gebunden.4