Schwieriger Umgang mit Büchern aus rechten Verlagen

„Viele rechte Verlage planen ihr Programm schlampig, wenn nicht sogar grob fahrlässig“, sagte Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag, Berlin. Foto: Bernd Schleh

Berlin. Ein Patentrezept für den Umgang mit Literatur aus rechten Verlagen gibt es nicht – auch nicht nach der Podiumsdiskussion der Lektoratskooperation, die sich am Mittwoch beim Bibliothekartag in Berlin mit diesem aktuellen Thema beschäftigt hat. Auf einen gemeinsamen Aspekt konnten sich die TeilnehmerInnen immerhin verständigen: Produkte aus rechten Verlagen sollten einen Themenbereich in einer Bibliothek, auch in Einzelfragen, niemals alleine abbilden, sondern immer durch solide Literatur, am besten auch durch Informationsveranstaltungen, ergänzt und eingeordnet werden.

Mit dem Thema ihrer diesjährigen Bibliothekartagsveranstaltung, verpackt in zwei Fragen, scheint die Lektoratskooperation einen Nerv getroffen zu haben: Wie gehen Sie mit der „neuen Rechten“ im Bibliotheksregal um? Gehören rechte Verlage in Ihr Bestandskonzept oder entscheiden Sie sich dagegen? Die Anwesenheit von mehr als 250 KollegInnen zeigte, dass diese Fragen viele BibliothekarInnen vor Ort bewegen und dass sie sich hier von der Lektoratskooperation, als den Experten in Sachen Bestandsaufbau in Öffentlichen Bibliotheken, Hilfestellung erwarten.

Rechten Parolen keine Plattform bieten

Zum Auftakt der Diskussion gab der Verleger und Publizist Jörg Sundermeier einen umfassenden Überblick über rechte Verlage und ihre Produkte und stellte in diesem Zusammenhang vor allem deren vielfach unseriösen Arbeitsmethoden dar. Diese reichten von der plumpen Vermittlung von Verschwörungstheorien bis zu schlampigen und grob fahrlässigen Editionsverfahren, die keinerlei in der Branche üblichen Standards entsprächen. Vielfach seien die Inhalte diskriminierend, rassistisch, homophob und würden die Menschenwürde verletzen (der gesamte Vortrag von Jörg Sundermeier ist in der aktuellen BuB-Juniausgabe ab Seite 331 zu lesen). Deshalb riet der Verleger den anwesenden BibliothekarInnen: „Halten Sie diese Bücher unbedingt solange es geht aus Ihren Bibliotheken heraus.“ Den rechten Parolen dürfe keine Plattform geboten werden. Und dann wurde er noch deutlicher und warnte: „Dieser Mist strahlt auf den übrigen Bestand ab – und das haben die anderen Bücher nicht verdient.“

Professor Hermann Rösch von der Technischen Hochschule Köln sah das differenzierter. Er wies darauf hin, dass man das aus der Perspektive eines privaten Unternehmers durchaus so sehen könne, für die Situation einer öffentlichen Bibliothek stelle sich die Situation aber komplett anders dar. Er hielt Sundermann vor: „In Ihren Ausführungen fehlt ein zentraler Wert: die Informationsfreiheit.“ Sie sei eine absolute Grundlage für die Arbeit von Bibliotheken. Bibliotheken seien ein wichtiger Garant für die informationelle Grundversorgung, und dazu gehörten auch Werke aus rechten Verlagen. Rösch machte klar: „Bibliotheken müssen das anbieten.“ Jeder Nutzer der Bibliothek müsse sich selbst ein Bild machen können, und dafür brauche er eben alle Informationen.

Rösch riet dazu, den Bürgern mehr zuzutrauen und fragte im Umkehrschluss: „Wer sollte denn eine entsprechende Qualitätskontrolle durchführen und nach welchen Kriterien?“ Hier fürchtete der Hochschullehrer und Ethikexperte die große Gefahr der Bevormundung und Zensur.

Eine Gratwanderung

Marion Mattekat, die Leiterin der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam, stimmte dem zu. Sie argumentierte: „Wir müssen die Nutzer im Fokus haben, und Tatsache ist nun mal, dass die Titel nachgefragt werden. Damit müssen wir also umgehen.“ Hier eine Entscheidung zu treffen sei häufig eine Gratwanderung, räumte sie ein und meinte dann ganz pragmatisch: „Wenn wir diese Bücher im Regal haben, dann muss sich das schon nicht jeder selbst kaufen.“ Im Übrigen setzte auch sie auf die gesunde Urteilskraft der Nutzer: „Wir sollten den Bürgern mehr Mündigkeit zutrauen!“

Susanne Brandt von der Büchereizentrale Schleswig-Holstein sah das nicht ganz so entspannt. Sie forderte dazu auf, die Sensibilität und Wahrnehmung zu schärfen, um Grenzüberschreitungen zu erkennen. Immer wieder würde die Informationsfreiheit mit Angriffen auf die Würde des Menschen kollidieren. Brandt sagte: „Es gibt durchaus einen Erwägungsspielraum und die Bibliothekare haben hier eine Verantwortung.“ Sie nannte hier das Beispiel kleiner Bibliotheken, die häufig nach Bestseller-Listen einkaufen würden. Sei ein rechter Titel, wie in der jüngeren Vergangenheit immer wieder geschehen, unter den Bestsellern, würde dieser automatisch eingekauft – und stünde dann bei kleineren Bibliotheken auch schon mal als einziges Werk zum Thema im Regal. Brandt: „Das darf nicht sein.“ Sie plädierte dafür, in solchen Fällen unbedingt weitere Bücher zum Thema anzuschaffen, sodass unterschiedliche Sichtweisen gegeben seien. Letztendlich müssten in solchen Fällen auch die Rezensionen der Besprechungsdienste Hinweise enthalten, dass diese Bücher nur in einem gewissen Kontext in der Bibliothek angeboten werden sollten.

Damit gab sie zum Schluss einen wichtigen Anstoß auch für notwendige Veränderungen in der Besprechungspraxis der Lektoratskooperation. Dort werden Bücher aus rechten Verlagen derzeit nicht rezensiert. Professor Tom Becker, der die Podiumsdiskussion moderierte und für den Berufsverband Information Bibliothek (BIB) im Vorstand der Lektoratskooperation sitzt, kündigte an: „Hier müssen wir unsere Marktsichtung überdenken.“

Bernd Schleh, 13.6.2018

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