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Teilhabe jetzt!

Ein Rückblick auf das 7. Forum Bibliothekspädagogik mit 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Hamburg.
Mit großem Engagement das 7. Forum Bibliothekspädagogik auf die Beine gestellt: das Organisationsteam der HAW Hamburg. Foto: Anke Petschenka
Mit großem Engagement das 7. Forum Bibliothekspädagogik auf die Beine gestellt: das Organisationsteam der HAW Hamburg. Foto: Anke Petschenka

 

»Unsere Türen stehen allen offen« ist ein häufiger (gut gemeinter) Vorsatz in Bibliotheken. Dass dieser Vorsatz nicht immer bis zu Ende gedacht ist und für eine inklusive Serviceorientierung bis hin zur Chancengerechtigkeit nicht ganz ausreicht, wurde beim 7. Forum Bibliothekspädagogik ergründet. Das Forum fand am 13. Januar 2024 in der Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg unter dem Motto »Teilhabe jetzt! Miteinander statt nebeneinander« statt. Es wurde von Studierenden der HAW Hamburg über zwei Semester geplant. Alle zwei Jahre organisiert eine der beteiligten Hochschulen das Forum Bibliothekspädagogik. Dazu zählen neben der HAW Hamburg die TH Köln, die HdM Stuttgart sowie die HTWK Leipzig.

Für den Einstieg in das Thema wurde bewusst auf einen akademischen Vortrag verzichtet. Stattdessen sollte mit einem öffentlich sehr wirksam diskutierten Fall die Notwendigkeit deutlich gemacht werden, dass Teilhabe, Vielfalt und Inklusion sehr aktuelle und wichtige Themen auch für Bibliotheken sind. Als Aufhänger wurde daher die Drag-Lesung genommen, die im letzten Jahr in der Münchner Stadtbibliothek stattgefunden hat (BuB berichtete in Heft 11/2023). Nach einer Einführung in den Sachverhalt durch Margit Lindner von der Münchner Stadtbibliothek hielt Prof. Frauke Schade von der HAW eine kurze Keynote zur Neutralität in Bibliotheken. Anschließend folgten die beiden Teile einer Podiumsdiskussion zusammen mit Vicky Voyage, Ute Engelkenmeier und der Studentin Antonia Hein. Die Moderation war durch Merle Muischewski ebenfalls studentisch besetzt und wurde bewusst so gestaltet, dass auch das Publikum mit einbezogen wurde.



Das Motto Teilhabe zog sich durch das gesamte Forum vom Warm-Up bis hin zur Verpflegung, die durch ausschließlich vegane und vegetarische Kleinigkeiten möglichst alle ansprechen sollte.

Bei der Organisation lag auch ein besonderes Augenmerk darauf, dass mit den Menschen gesprochen wird, statt wie so häufig nur über sie. Hierbei wurde dem Organisationsteam allerdings auch schnell klar, wie schwierig dies in der Praxis umzusetzen ist – es konnte leider auch nur teilweise realisiert werden. Besonders schade war daher, dass die geplante Human Library aufgrund von Krankheit leider ausfallen musste und somit noch weniger »Own Voices« vertreten waren.

Studierende präsentieren eigene Formate

Der Call for Papers war sehr erfolgreich, sodass das Programm eine Vielfalt an Formaten aufweisen konnte. Nachdem das vorläufige Programm aufgestellt wurde, fragten sich die Studierenden des Organisationsteams, welche Aspekte des schwerpunktgebenden Themas Teilhabe noch fehlten und von ihrer Seite miteingebracht werden können.

Ein wichtiger Punkt ist die digitale Teilhabe. Gerade in der heutigen Zeit schreitet die Digitalisierung mit großen Schritten voran, wodurch viele Barrieren entstehen können. Das Interesse der Bibliothekswelt an dem Thema wurde deutlich, da der Workshop im Programm lediglich als Überraschungsworkshop zum Thema digitale Teilhabe deklariert wurde und er zu den am schnellsten ausgebuchten Workshops des Forums gehörte.

Die Studierenden entschieden sich für das Thema der Künstlichen Intelligenz (KI), denn auch in diesem Teilbereich kann man allein im letzten Jahr von einer sehr rasanten Entwicklung sprechen. In dem von den Studierenden organisierten Workshop ging es zunächst darum, was KI überhaupt ist und wie sie im Arbeitsalltag unterstützen kann. Dafür wurden zwei Chat-Modelle vorgestellt, die auf KI zurückgreifen, ChatGPT und Perplexity.AI. Im Workshop wurden dann beispielhafte Aufgaben aus dem Bibliotheksalltag mit diesen beiden Tools bearbeitet, zum Beispiel wie man schrittweise eine Pressemitteilung mithilfe von ChatGPT verfassen kann.

Ein weiterer Programmpunkt, der von den Studierenden selbst organisiert wurde, war eine Bibliotheksführung mit Einschränkungen. Der Gedanke dahinter war, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, wie einschränkend manche Barrieren im Benutzungsalltag wirklich sein können, sei es eine Sehbeeinträchtigung oder eine Gehbehinderung. Dabei war bewusst, dass es problematisch und diskriminierend wäre, solche realen Beeinträchtigungen einfach »nachzuspielen«. Daher wurde die Führung in Kooperation mit dem »Haus der Barrierefreiheit« durchgeführt. Die beiden Expertinnen und Experten konnten mit ihrer Fachkompetenz diesen Perspektivwechsel begleiten und auf Nachfragen reagieren.



Von einer Teilnehmerin gab es im Nachgang das Feedback, dass sie nach der Führung mit ganz anderen Augen durch die Bibliothek gegangen sei und auch jetzt im Alltag werde ihr öfter bewusst, welche Bereiche man noch zugänglicher machen könnte. Die Intention hinter diesem Programmpunkt war, den Teilnehmenden bewusst zu machen, welche Barrieren im Benutzungsalltag besondere Aufmerksamkeit und Rücksicht benötigen, sodass sie mit den neuen Einblicken auch in ihrer Berufspraxis Veränderungen schaffen können, um Barrieren effektiv abzubauen. Durch das erhaltene Feedback wird deutlich, dass dies scheinbar gelungen ist.

Vielfalt an partizipativen Bibliothekspraktiken

Einer der Schwerpunkte, zu dem bereits im Call for Papers aktiv Beiträge eingeworben wurden, war Partizipation. Hierzu wurden mehrere Austauschformate und Workshops angeboten, die dazu ermutigen sollten, Kinder, Schüler/-innen oder Nutzer/-innen in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.

So wurden die Teilnehmer/-innen beispielsweise im erlebbaren Format »Out of the box« dazu angeregt, Kinder aktiv in Raumgestaltung mit einzubeziehen. Der Workshop fand daher unmittelbar in der Kinderbibliothek der Bücherhallen im laufenden Betrieb statt. Die Referentin Kawthar El-Qasem, Leiterin des Fachbereichs Baukultur an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW, bat die Teilnehmer/-innen, sich zunächst an ihr Lieblingsbuch aus ihrer Kindheit zu erinnern. Anschließend sollten sie in einem kurzen Elevator Pitch aufbauend auf den in den Büchern beschriebenen Räumen und Landschaften ihr Bild eines perfekten Raumes vorstellen.

Dann wurde es praktisch: Mit Umzugskartons, Schnüren und Bändern gestalteten die Teilnehmer/-innen in zwei Gruppen zunächst nach eigenen Vorstellungen das Modell einer Kinderbibliothek. Im Anschluss wurden unter den Kindern, die sich vor Ort aufhielten, Freiwillige gesucht, die gerne mitgestalten wollten. In der nächsten Runde waren die Teilnehmer/-innen dann die Assistentinnen und Assistenten der Kinder und haben das Vorhandene nach den Wünschen der Kinder angepasst und umgebaut und konnten so die kindliche Perspektive aus erster Hand mit einbinden.

Partizipationsprozesse mit etwas älteren Kindern wurden im Austauschformat »Einfach mal die Zielgruppe fragen – mit Schüler*innen bibliothekspädagogische Angebote entwickeln« vorgestellt. Referentinnen und Referenten waren Mitarbeitende der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, krankheitsbedingt nur in halber Besetzung durch Kathrin Reckling-Freitag und Finn Holland vertreten. Vorgestellt wurden zwei Projekte, bei denen Schüler/-innen mitgestaltet haben. Zum einen die Entwicklung des digitalen Clubraums des »FerienLeseClubs« und zum anderen das Projekt »Gameguides«, eine Game-Review-Webseite für Jugendliche. Im Anschluss gab es einen regen Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu den beiden Beispielen und darüber hinaus.



Die Partizipation von Bibliotheksnutzerinnen und -nutzern im Allgemeinen wurde von Prof. Christine Gläser von der HAW Hamburg im Workshop »Walking in your customers’ shoes« vermittelt. Dabei wurde deutlich, wie stark die Nutzbarkeit einer Bibliothek von der nutzenden Person selbst abhängig ist. Einschränkungen wie fehlende Sprachkenntnisse, Behinderungen oder auch schlicht der erste Besuch spielen dabei eine bedeutende Rolle. Um diese Perspektive hautnah erleben zu können, wurde im Programm empfohlen, den Workshop mit der zuvor beschriebenen Bibliotheksführung mit Einschränkungen zu kombinieren, was auch von einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern umgesetzt wurde.

Der Schwerpunkt Partizipation spiegelt sich auch im Titel des tagungsbegleitenden Podcast »ParticiNow – gemeinsamstatteinsam« wider. Der Podcast wurde von Studierenden des Organisationsteams vor, während und nach dem Forum aufgenommen und kann von allen Interessierten über Spotify gestreamt werden.

Der Staffelstab wird weitergegeben: Das 8. Forum Bibliothekspädagogik wird Anfang 2026 in der Zentralbibliothek im Kap1 in Düsseldorf stattfinden, organisiert von Studierenden der Technischen Hochschule Köln.

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