Einsatz von studentischen Beschäftigten in Wissenschaftlichen Bibliotheken

Ein Positionspapier des Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft in ver.di und des Berufsverbands Information Bibliothek
Der Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft in ver.di und der Berufsverband Information Bibliothek (BIB) haben ein gemeinsames Positionspapier zum tarif- und gesetzeskonformen Einsatz von studentischen Beschäftigten in Wissenschaftlichen Bibliotheken vorgelegt. Foto: Vitalii Vodolazskyi - stock.adobe.com

In Wissenschaftlichen wie auch in Öffentlichen Bibliotheken hat sich die technische Entwicklung als eine entscheidende Triebkraft für Veränderungen erwiesen. Sie hat nicht nur das Nutzerverhalten verändert, sondern beeinflusst auch die Arbeitssituation von Bibliotheksbeschäftigten erheblich.

Zugleich sind Bibliotheken als freiwillige Aufgaben ihrer Träger immer wieder von Kürzungen betroffen. Jahrelang sinkende Grundmittel im Hochschulbereich hatten auch teilweise dramatische Kürzungen im Personalbereich Wissenschaftlicher Bibliotheken zur Folge. Der dadurch entstandene Personalmangel führte zu einer erheblichen Belastung des verbliebenen Bibliothekspersonals, zumal die Aufgaben durch die Einführung digitalisierter Arbeitsmethoden weiter anwachsen. Durch die Einführung von Automatisierungstechniken wie RFID geschah eine weitere Auslagerung von Ausleih- und Rückgabetätigkeiten vom Bibliothekspersonal auf Nutzende. Dadurch sind sowohl Rationalisierungseffekte durch die häufig wiederkehrenden Routineaufgaben eingetreten wie auch eine höhere Komplexität der Aufgaben. Die Ausweitung von Öffnungszeiten in die Abendstunden und auf das gesamte Wochenende stellt nochmals erheblich höhere Anforderungen an die Flexibilität der Beschäftigten.

Besonders zu diesen Randzeiten wird in erheblichem Umfang auf studentische Beschäftigte zurückgegriffen. Diese Gruppe wird, bedingt durch ihre berufliche Situation und die Notwendigkeit, Studium und Lebensunterhalt (auch aufgrund einer immer geringeren Förderquote des BAföG) über Erwerbsarbeit finanzieren zu müssen, als besonders flexibel wahrgenommen. So gewährleisten vor allem studentische Beschäftigte erweiterte Öffnungszeiten und tragen erheblich zum Bibliotheksservice (Ausleihe, Rückstellarbeiten, Auskunftstätigkeiten und Fernleihfunktionen) bei. Für Studierende ist insbesondere die Tätigkeit in einer Fach-Bibliothek aufgrund der inhaltlichen Nähe zum jeweiligen Studium häufig eine attraktive Beschäftigungsmöglichkeit.

Alle Interessen müssen jedoch in Einklang mit der geltenden Rechtslage gebracht werden. Bei allen Unterschieden im Detail müssen wir feststellen, dass es diesbezüglich erhebliche arbeitsrechtliche Probleme in der Praxis gibt.

Zunächst regeln Landeshochschulgesetze, in welchen Bereichen studentische Hilfskräfte im jeweiligen Bundesland eingesetzt werden können. Sowohl die Definition der Gruppe als auch die Festlegung des Einsatzgebietes variieren von Bundesland zu Bundesland. Die meisten Länder weisen   wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräften jedoch Unterstützungsaufgaben mit direktem Bezug zu Forschung und Lehre zu.

In der Bibliotheks-Praxis wird dennoch vielfach und unabhängig von der landesrechtlichen Situation auf studentische Hilfskräfte zurückgegriffen, die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristet sind und nicht in den Tarifvertrag der Länder (TV-L) eingruppiert werden. Beides, obwohl die rechtlichen Bedingungen dafür in den meisten Fällen nicht erfüllt sein dürften.

Auch das WissZeitVG legt eindeutig fest, dass eine wissenschaftliche Hilfskraft im Sinne des Gesetzes nur sein kann, wer wissenschaftliche oder künstlerische Hilfstätigkeiten ausführt. Die Befristung von studentischen Beschäftigten in einer Wissenschaftlichen Bibliothek ist damit in der Regel nicht nach diesem Gesetz möglich. Hier kommt nur das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Frage.

Der TV-L schließt zwar studentische Hilfskräfte aus seinem Geltungsbereich aus, definiert jedoch ebenfalls klar, dass es sich dabei um Personen handeln muss, die forschungs- und lehrnahe Unterstützungstätigkeiten ausüben.

Daher ist festzuhalten: Studierende müssen bei einer reinen Verwaltungstätigkeit nach geltender Rechtsprechung (vgl. BAG, 30.06.2021, 7 AZR 245/20) nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) als (studentische) Tarifbeschäftigte eingestellt werden. Aufgaben und Tätigkeiten in den Universitätsbibliotheken zum Beispiel an der Ausleihe, an der Information, in der Katalogisierung oder bei Arbeiten im Buchbestand sind ausschließlich administrativer Art. Es handelt sich häufig um dieselben Tätigkeiten, die von ausgebildeten Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) oder Bachelorabsolvent*innen ausgeübt werden.

Diese Praxis ist abzulehnen, denn damit geht schleichend aber in hohem Maße die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an diese Gruppe einher. Diese Tätigkeiten verlangen aber nach ausgebildetem Personal. Studentische Beschäftigte können und sollen selbstverständlich sinnvoll in Bibliotheken beschäftigt werden, auch zu Unterstützungsaufgaben, etwa in Randzeiten mit eingeschränktem Service. Weder dürfen Sie aber als billige Alternative zu ausgebildetem Bibliothekspersonal genutzt noch darf ihnen die tarifliche Bezahlung nach dem TV-L vorenthalten werden.

Die Antwort auf Unterfinanzierung von Bibliotheken bei wachsenden Aufgaben und Flexibilitätsanforderungen kann nicht sein, auf die kostengünstigste Lösung zurückzugreifen. Das wird weder dem Bedarf der Nutzer*innen gerecht, noch dem Qualitätsanspruch Wissenschaftlicher Bibliotheken oder dem Anspruch der studentischen Beschäftigten auf faire Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen.

Im Zusammenspiel mit der Unattraktivität von Befristungen und der Ungewissheit über die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge in Bibliotheken, wird die Gewinnung von studentischen Beschäftigten für die Abdeckung der Öffnungs- und Serviceangebote wochentags und an den Wochenenden bis in die späten Abend- und Nachtstunden hinein zudem immer schwieriger.

Um Arbeitskräfte zu gewinnen, müssen Arbeitgeber mit attraktiven Bedingungen werben. Dies gilt auch für Bibliotheken bezüglich ihrer studentischen Beschäftigten. Die beschriebene Praxis hat daher auch in dieser Hinsicht keine Zukunft. Ein Umdenken bezüglich studentischer Beschäftigung in Wissenschaftlichen Bibliotheken ist dringend erforderlich.

So ist der Reflex, Studierende in jedem Fall (möglichst kurz) zu befristen, unnötig. Studierende sind von Natur aus bestrebt, ihr Studium in einer überschaubaren Zeit (Regelstudienzeit) zu beenden, um anschließend eine besser dotierte Stelle mit Perspektive zu finden. Mit Abschluss des Studiums endet damit in der Regel die studentische Beschäftigung automatisch. Die Gefahr, eine Vielzahl von (ehemaligen) Studierenden dauerhaft weiterbeschäftigen zu müssen, besteht in der Realität nicht.

Wir schlagen vor, Studierende sachgerecht und rechtskonform mit unbefristeten Teilzeitverträgen entsprechend dem TV-L auszustatten.

Damit würden gleich mehrere Probleme bei der Beschäftigung studentischen Personals ausgeräumt:

  • Die Attraktivität der Beschäftigungsverhältnisse würde deutlich gesteigert.
  • Die arbeitsgesetzlich geregelte Probezeit böte auch bei einem unbefristeten Vertrag die Möglichkeit ein Arbeitsverhältnis zu beenden, falls eine der beiden Vertragsparteien unzufrieden ist.
  • Unbefristete Beschäftigungsverhältnisse gewähren Verlässlichkeit für beide Seiten. Die der Bibliotheken ebenso wie die der Studierenden.
  • Studentische Tätigkeiten könnten rechtssicher nach der geltenden Entgeltordnung bewertet werden, was zu einer gerechten Bezahlung führen und auf der Arbeitgeber*innenseite das Risiko von Klagen minimieren würde.
  • Zwischen unausgebildetem Personal und Personal mit Ausbildung wäre entsprechend der unterschiedlichen Tätigkeiten durch die Eingruppierung in einen Tarifvertrag sauber und einfach zu unterscheiden.
  • Durch Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen können auch studentische Beschäftigte Rentenansprüche erwerben, was einer späteren Altersarmut entgegenwirkt.

Daher fordern wir die Entscheidungsträger auf, ihre Haltung und Praxis zu verändern: wenn Studierende Tätigkeiten ausüben, die durch den TV-L abgedeckt sind, müssen sie auch nach diesem Tarifvertrag bezahlt werden. Für gleiche Arbeit muss auch gleicher Lohn bezahlt werden.

Für faire Arbeitsbedingungen

Viele wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind zuerst als studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte mit der bibliothekarischen Praxis in Berührung gekommen. Das gilt auch für mich: Ich habe 1987 in der Ortsleihe der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart angefangen. In einer Zeit, in der sich unser Berufsbild schnell verändert, ist es meines Erachtens wichtiger denn je, diese Möglichkeit offenzuhalten – gerade angesichts der aktuellen Entwicklung, dass es weniger Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungs- und Studiengänge im Bibliotheks- und Informationswesen gibt.

An der SUB Hamburg beschäftigen wir daher bewusst auch weiterhin studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte mit wissenschaftsnahen Aufgaben. Das ist durchaus keine Sackgasse: Auch in den letzten Jahren haben sich immer wieder ehemalige Hilfskräfte erfolgreich auf Stellen für Referendarinnen und Referendare oder Mitarbeitende beworben.

Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen haben wir aber leider die Beschäftigungsmöglichkeiten für Studierende in klassischen Bibliotheksbereichen wie der Leihstelle einschränken müssen – zum Bedauern der Studierenden, aber auch vieler Beschäftigter. Denn in unserem Ausleihzentrum war es oft nicht möglich, die ersatzweise ausgeschriebenen Stellen zeitnah zu besetzen, mit der Folge, dass wir zum Teil Services einschränken mussten beziehungsweise nicht im gewünschten Umfang erweitern konnten.

Faire Arbeitsbedingungen sind uns wichtig – aber es hilft meines Erachtens niemandem, wenn die Beschäftigungsmöglichkeiten für Studierende de facto eingeschränkt werden. Viele Studierenden müssen sich dann wissenschaftsfernere Nebenbeschäftigungen suchen – und wenn ersatzweise geschaffene Stellen unbesetzt bleiben, kommt auf die Stammbelegschaft im Ergebnis mehr Arbeit zu. Ebenso wichtig ist es, dass wir die Ausbildung von Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste verstärken. Die Ausbildungskapazitäten reichen erkennbar nicht aus, um die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehenden Kolleginnen und Kollegen zu ersetzen.

Prof. Robert Zepf, Direktor der Staats- und Universitätsbibliohtek Hamburg und Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv)

Beschäftigung von Studierenden ist sehr wichtig

Für die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin ist die Beschäftigung von Studierenden sehr wichtig. Wünschenswert wäre die Möglichkeit in der UB – je nach Aufgabenfeldern –, Studierende sowohl als SHKs als auch als TV-L-Kräfte einsetzen zu können. Darüber hinaus muss bei der Umwandlung von SHK- nach TV-L-Stellen auf die entsprechende Erhöhung des Stellenplans geachtet werden.

Martin Lee, Leitender Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin

Beliebt bei internationalen Studierenden

Die Nuller-Jahre, eine kleine Hochschulbibliothek im Mittelfränkischen, zwölf Studentische Hilfskräfte (SHK). Die stellen Bücher ein, machen Ausleihtheke und sind bei allerlei Sonderaufgaben eine wertvolle Hilfe. Der Job ist so einigermaßen bezahlt, der Andrang gleichwohl sehr groß und eine Auswahl der besonders Geeigneten somit leicht. Und die SHK bleiben in der Regel mehrere Jahre, was die Einarbeitungsaufwände relativiert.

Zeitsprung. Die Zwanziger-Jahre, eine große Hochschulbibliothek im Unterfränkischen, zwei SHK. Die sind noch immer eine wertvolle Hilfe, aber irgendetwas ist passiert. Die drastische Reduzierung kommt nicht wirklich aus dem merklich gestiegenen Verwaltungsaufwand, weil SHK jetzt Tarifbeschäftigte sind. Das mehr an Papier ist sehr gerechtfertigt, weil die Beschäftigung damit rechtssicher und tarifvergütet ist. Aber es gibt immer weniger Aufgaben für SHK und die Nachfrage nach den studentischen Jobs geht gegen Null. Auf der Aufgabenseite haben sich Hochschulbibliotheken zum Beispiel in Richtung forschungsnaher Dienstleistungen entwickelt, da können SHK wenig beitragen. Und wenn mittlerweile 94 Prozent Prozent des Bucherwerbs in E-Books gehen, dann müssen die auch nicht mehr zurückgestellt werden. Und auf der Nachfrageseite haben die dichten Bachelor- und Masterprogramme auch die freien Zeiten für den Erwerb des Zubrots verringert. Findet man SHK, so sind sie oft nach einem Semester auch wieder weg.

An der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt arbeiten in Würzburg bei circa 6.500 Studierenden keine SHK, studentische Nachfrage nicht vorhanden. In Schweinfurt lassen sich aus circa 3.500 Studierenden mit größeren bibliotheksseitigen Werbemaßnahmen immer wieder einzelne SHK gewinnen. Warum? Mehr als ein Drittel der Studierenden dort sind Internationals from far far away. Sind die Hürden des Aufenthaltstitels überwunden, arbeiten die ausländischen Kolleginnen und Kollegen gerne, zuverlässig und zur völligen gegenseitigen Zufriedenheit. Doch ein versöhnliches Ende des SHK-Themas.  

Jens Renner, Leiter der Bibliothek der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Eine Win-Win-Situation

Ein Job mit geringem Stundenumfang ist für Studierende gut mit ihrem Studium vereinbar und die Bibliothek gewinnt wertvolle Impulse von außen, neben der tatkräftigen Hilfe in den jeweiligen Aufgabengebieten. Eine Win-Win-Situation im Idealfall. Für viele Studierende ist der Job als studentische Beschäftigte der erste Kontakt mit der Bibliotheksarbeit. Einige entscheiden sich aufgrund ihrer Beschäftigung auch für ein späteres Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft und werden zu Kolleginnen und Koollegen. Daher ist auch aus dem Blickwinkel der Personalgewinnung die Beschäftigung von Studierenden in Bibliotheken ein wichtiger Faktor – bei fairem Lohn.

Dr. Ute Engelkenmeier, BIB-Bundesvorstand und Kommissionsvorsitzende der gemeinsamen Kommission Personalgewinnung  (dbv, vdb, BIB)

Der Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft in ver.di und der Berufsverband Information Bibliothek (BIB) laden alle Interssierten ein zur Diskussion über den Einsatz von studentischen Beschäftigten: am Mittwoch, 26. April, von 17 bis circa 18.30 Uhr – online.
Anmeldungen sind über folgenden Link möglich: https://eveeno.com/224052352.

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